Nach dem Anlege-Manöver im Hafen Havanas und einem ausgiebigen Frühstück wartete eine ganze Armada von Bussen auf uns Schiffsreisende.
Es stand eine Stadtrundfahrt durch die kubanische Hauptstadt an, die ich Unwissender auch noch gebucht hatte.
Ich habe eine Abneigung gegen alle Formen des Massentourismus und hatte schon die gesamte Reise nur gebucht, um dem Rollstuhl geschuldet, ein Stück Sicherheit zu haben.
Und jetzt drängten um die fünfhundert deutsche Touristen mit Fotoapparaten und Bauchbeuteln bewaffnet in die bereitstehenden Busse, um sich kollektiv durch eines der letzten kommunistischen Bollwerke der Welt fahren zu lassen. Das Ganze hatte schon etwas Süreales.
Ich passierte also den kubanischen Zoll im Hafengebäude. Der Zöllner, in Uniform und mit dichtem dunklen Bart, kontrollierte meine Papiere und wünschte mir in gebrochenem Englisch einen schönen Aufenthalt.
"Muchas gracias... " bedankte ich mich, was ihm sogar ein Lächeln auf sein strenges Gesicht zu zaubern schien. Zumindest vermutete ich dies, da bei seinem dichten Vollbart nur ein leichtes Zucken, dort wo ich den Mund vermutete, zu erkennen war.
Vor dem Gebäude kam ein junger Mann auf mich zu, um mich auf den richtigen Bus zu verteilen. In schönstem hochdeutsch, mit einem Hauch von hamburger Platt untermalt, streckte er mir einen rosafarbenen Aufkleber entgegen.
"Guten Morgen Herr Beckmann. Ich bin Thomas, ihr Reiseleiter für die heutige Rundfahrt durch Havana. Ich darf Sie bitten, diesen Aufkleber gut sichtbar an ihrer Schulter anzubringen. Er hat die selbe Farbe wie ihr Bus. Nicht, dass sie uns verloren gehen"
Ich sah, dass die Busse tatsächlich mit den unterschiedlichsten Farben gekennzeichnet waren.
" wie jetzt? Ich soll mir dieses Ding an die Schulter kleben, damit ich nicht vergesse in welchen Bus ich einsteigen muss? Ist nicht ihr Ernst, oder?" fragte ich ihn, mit einer Mischung aus Verwunderung und Ärger.
"das ist nur für uns, und den einheimischen Reiseleiter, damit wir wissen, wer alles zur Gruppe gehört." versuchte er mich zu beschwichtigen.
"... also, ich bin mir sicher, dass ich auch ohne einen rosa Aufkleber einzigartig genug bin, sodass man mich weder übersehen, noch verlieren kann. Stecken Sie das Ding bloß wieder weg" gab ich ihm lächelnd aber bestimmt zurück.
Nachdem mein Rollstuhl im Bauch des rosa gekennzeichneten Busses verstaut war ging die Rundfahrt auch schon los.
Die Zeit schien in den Straßen Havanas tatsächlich in den Fünfzigern stehen geblieben zu sein.
Alles, die Gebäude, die Autos und die Straßen sahen aus, wie einem Film mit Gregory Peck und Audrey Hepburn entsprungen.


Zwischen den historischen Fassaden, mit ihrem zweifellosem Charme vergangenener Epochen, gab es dann auch immer wieder solche Gebäude, die vom Charme sovietischer Baukunst des frühen zwanzigsten Jahrhunderts zeugten.

"zur Linken sehen sie die Gebäude der kubanischen Regierung. Das, mit dem Gesicht des großen Kämpfers für die kubanische Unabhängigkeit, Che Guevara, ist der Justizpalast. "
Insgesamt, war die Stadtrundfahrt sehr interessant. Der Bus war klimatisiert und die Kleine die uns dabei mit Informationen versorgte war wirklich süß.
Zu meiner Überraschung klangen neben den typischen Lobreden auf die Leistungen Fidel Castros für das kubanische Volk, immer wieder auch durchaus kritische Bemerkungen an.
"Das kubanische Gesundheitssystem ist immer noch eines der besten der lateinamerikanischen Welt. Leider hat es aber in den letzten Jahren etwas an Effizienz verloren"... oder... "Solche Busse wie dieser hier sind nur für Touristen. Die Kubaner fahren mit solchen Bussen (zeigt dabei auf einen echten Oldtimer der vorbei fährt)... Dafür sind sie aber kostenlos..."
Man merkte ihr an, dass sie stolz war auf ihr Land, aber trotzdem auch kritisch in einer Form, wie ich es nicht erwartet hätte.
In einer Pause, während wir zur nächsten Attraktion, einer Reihe sowjetischer MIG's vor Castros Regierungspalast fuhren, fragte ich sie deshalb, "Haben Sie denn keine Angst, wenn sie sich so kritisch äußern?"
Sie schaute mich zuerst sehr überrascht, dann aber eher belustigt an.
"Ich glaube sie haben ganz falsche Vorstellungen vom Leben in Kuba. Wir sind doch ein freies Volk, das sein Land liebt. Wir sind nicht reich, aber die Regierung sorgt für alles Wichtige. Ist das in Deutschland auch so? Und seit ein paar Jahren dürfen Privatpersonen ihre eigenen kleinen Geschäfte haben...
Es geht uns gut, auch wenn die Amerikaner uns immer noch von Vielem abschneiden, was nötig wäre. Schauen Sie sich die schönen Gebäude an, sie zerfallen, weil das Material fehlt um sie zu restaurieren. Ist das nicht eine Schande? Sie werden hier aber keine Slums finden und Menschen die in Mülltonnen nach Essen suchen müssen, wie in den großen Städten der USA... "
Sie schaute mich zuerst sehr überrascht, dann aber eher belustigt an.
"Ich glaube sie haben ganz falsche Vorstellungen vom Leben in Kuba. Wir sind doch ein freies Volk, das sein Land liebt. Wir sind nicht reich, aber die Regierung sorgt für alles Wichtige. Ist das in Deutschland auch so? Und seit ein paar Jahren dürfen Privatpersonen ihre eigenen kleinen Geschäfte haben...
Es geht uns gut, auch wenn die Amerikaner uns immer noch von Vielem abschneiden, was nötig wäre. Schauen Sie sich die schönen Gebäude an, sie zerfallen, weil das Material fehlt um sie zu restaurieren. Ist das nicht eine Schande? Sie werden hier aber keine Slums finden und Menschen die in Mülltonnen nach Essen suchen müssen, wie in den großen Städten der USA... "
Sie hatte sich in das Thema so sehr hinein-gesteigert, dass man trotz ihrer dunklen Haut sehen konnte, wie sie errötet war.
Inzwischen waren wir zum Glück am Ziel angekommen und sie nahm wieder ihr Mikrofon in die Hand. Später erfuhr ich von ihr, dass sie, aus ärmlichen Verältnissen stammend, vom Staat ihr Politikstudium finanziert bekommen hatte.
Nachdenklich geworden beschloss ich, erst einmal mehr zu beobachten, statt voreilig zu bewerten. Wer gab mir das Recht über ein Land und deren Menschen zu urteilen, die ich nur aus unserer westlichen Berichterstattung kannte.
Natürlich gingen mir auch die Geschichten von Verfolgung politisch Anderdenkender durch den Kopf, die ohne Verhandlungen in dunklen Gefängnissen verrotteten oder unter Folter gebrochen wurden.
Ich wollte jetzt aber erst einmal ansehen, was Kuba mir noch so alles eröffnen würde.
Am Ende der Rundfahrt angekommen eröffnete uns aber erst einmal Reiseleiter Thomas, dass wir jetzt gemeinsam, also alle mit einem rosa Aufkleber an der Schulter, zu Fuss zurück zum Schiff gehen würden um dabei noch mehr von Havanas Zentrum zu Gesicht zu bekommen.
Kaum, dass mein Rollstuhl ausgeladen war und ich mich gesetzt hatte, um die Stimmung der Stadt etwas besser in mich aufnehmen zu können, rollte die Karawane auch schon weiter in Richtung Kathedrale... als wären wir eine Horde Japaner, die Europa in zwei Wochen komplett bereisen mussten.
Schon von weitem hörte ich Musik und als ich näher kam, saß am Straßenrand eine Gruppe älterer Herren und spielte, auf offenbar selbst gebastelten Instrumenten, kubanische Santeria-Musik.
Das war es, was ich erleben wollte.
Meine Mitreisenden fotografierten ungeniert und hektisch, als würden sie Tiere im Zoo ablichten.
"So, weiter geht's, wir wollen dann auch noch die Tabakfabrik besuchen und müssen rechtzeitig am Schiff sein, für diejenigen die heute Nacht das 'Tropicana' besuchen wollen " trieb Thomas die Gruppe an.
Nein, das war genau Das, was ich nicht erleben wollte.
Den 1939 eröffneten Freiluftnachtclub allerdings, den wollte ich mir wirklich nicht entgehen lassen. Schon Josephine Baker hatte dort ihren berühmten Bananentanz gezeigt und Grössen wie Nat King Cole oder Marlone Brando hatten zu seinen Bewunderern gehört.
"Ich bleibe dann hier. Der Hafen ist leicht zu finden und ich komme schon zurecht " sagte ich, ungläubige Blicke auf mich ziehend.
" Sind Sie sicher? '
"Wie sehe ich denn aus, unsicher?"
antworte ich Thomas, der noch etwas von 'aufpassen', 'Verantwortung' und ähnlichem murmelte, dann aber mit guten Wünschen für mich, schnell hinter der Gruppe 'rosa' herging, die schon einmal weiter gehetzt war.
Yep..., endlich alleine. Ich nickte den alten Herren freundlich zu und blieb, die Musik, die gesamte Stimmung, einfach Alles,in mich aufsaugend bei den Musikern sitzen.
In einer kurzen Pause, rollte ich näher zu ihnen hin, streckte ihnen meine Rechte entgegen und versuchte mich in meinem furchtbar schlechten Spanisch.
"Ola, senores. Buena Musica.
Perdon, non habla Español. Habla Ingles?"
Ich schien verstanden worden zu sein, auch wenn das schmunzeln auf ihren Gesichtern vermuten lies, dass ich wohl einige Fehler gemacht hatte.
" little" antwortete der, den ich für den jüngsten gehalten hatte.
"you like? Will hear? " fragte er weiter.
" yes, indeed, I like it very much " gab ich zur Antwort und sie begannen wieder zu spielen.
Unweit entfernt gab es ein kleines Café und ich bekam Lust auf einen solchen.
" Do you like a coffee? " fragte ich, dabei in ihre Gesichter schauend, die zustimmend lächelten, während der Eine zur Antwort gab.
" Thank.. better Money... for 'familia'"
Ich drehte mich ohne Antwort um, fuhr zu dem Café, fragte die junge Bedienung, ob sie wisse, was die Musiker gerne trinken würden und bat sie, alles zusammen mit einer Tasse Kaffee über die Straße zu bringen. Daraufhin rollte ich wieder zu der Band zurück.
Wenig später kam ein junger Mann mit einem kleinen Tischchen und stellte dieses freundlich nickend neben mir ab.
Kurz darauf kam dann auch die Bedienung mit einer halb vollen Flasche Rum, einer großen Flasche Wasser, einer dampfenden kleinen Kanne nebst Tassen und Gläsern und stellte alles neben mir auf den Tisch.
Ich bedankte mich bei ihr, schenkte ein und winkte den immer noch spielenden Musikern zu, sie sollen sich doch zu mir gesellen.
Fast unmittelbar hörten sie auf zu spielen und kamen auch gleich zu mir an den Tisch.
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