Montag, 22. Juni 2015

An Bord der Arosa



Endlich! 

Ich habe meine schwimmendes Hotelzimmer gefunden und, welch Wunder, mein Koffer war auch schon da. 

Es ist schon toll, wie das so funktioniert. Es kommen über 200 Menschen an, und innerhalb einer guten Stunde ist das ganze Gepäck dort wo es hingehört. 

Unterwegs durch die schier endlos scheinenden Gänge, hatte ich nochmal Herbert mit seiner Frau getroffen, die ihr Zimmer auf dem falschen Deck suchten, was aber schnell zu klären war.
Herbert war inzwischen wieder sehr entspannt und lächelte mich freundlich an. 

Sein Versuch mit verwaschener Sprache mit mir zu reden wurde allerdings sofort von seiner Frau unterbrochen.
"Er möchte sich bei Ihnen bedanken und sagen, dass es ihm wieder gut geht... "
" Dumme Kuh, woher willst du wissen was Herbert sagen will"
ging es mir durch den Kopf, während ich aber sagte "kein Problem, ist doch selbstverständlich. Aber sie können Herbert ruhig selbst reden lassen, ich habe Zeit" 

Herbert nahm meine Hand und drückte sie fast unmerklich, während ein Lächeln über sein hageres Gesicht glitt.
Er schien das schon zu kennen, dass seine Holde für ihn sprach und hatte sich wohl in sein Schicksal ergeben.
Während des Gesprächs stellte sich heraus, dass Herbert, wie ich es schon vermutete, an MS erkrankt war.

Seine Frau erklärte mir, in seinem Namen, dass er unbedingt diese Reise machen wollte und seine Frau ihm diesen Gefallen getan hat obwohl das für sie ja der pure Stress sei. Sie könne ja auch kein Englisch,  weil sie nie die Möglichkeiten hatte zu der Zeit ihrer Jugend, und dann noch ihr schweres Los mit Herbert...
Das Lächeln auf Herberts Gesicht war verschwunden. 

"Na toll " dachte ich.
Einerseits kam mir sofort der Gedanke, dass ich Herbert gerne aus seiner Tristesse heraus geholfen hätte...
Andererseits hatte ich auch Urlaub, schwer erspart, und dringend nötig.
Also beschloss ich, den beiden aus dem Weg zu gehen, was mir selbst heute noch, Jahre später, so ein undefiniertes Gefühl von schlechtem Gewissen macht.

Wie gesagt war ich also in meiner neuen kurzzeit Bleibe angekommen.
Es war eine Innenkabine, hatte also keine Fenster nach Aussen.
Die Ausstattung war durchaus gemütlich und es war auch mit Rollstuhl genügend Platz.
Auch der dusch und wasch Bereich war wirklich funktional.. Ausserdem hatte ich sowieso nicht vor, mich allzuviel hier aufzuhalten.

Bis zur Informationsveranstalltung um 15:00 Ortszeit war noch eine gute Stunde Zeit.
Ich legte mich aufs Bett...  und schlief ein...
Ich träumte von meinen Freunden zu Hause. Vom Skifahren in St. Anton... Von einer Lawine die mich überrollte, von der beklemmende Dunkelheit und der Angst in meinem dunklen Grab. 

... Plötzlich ein leises klopfen...
Sie haben mich gefunden..
Das Klopfen wurde lauter...
"Ja, holt mich hier raus", hörte ich mich selbst rufen...  Und wachte auf. 

Immer noch zwischen Traum und Wirklichkeit gefangen, brauchte ich einige Zeit um zu realisieren, dass das Klopfen durchaus real war.
"Ja bitte, was ist denn "rief ich  und die Tür ging auf.
" ist mit Ihnen alles in Ordnung?" fragte mich der Steward, der eingetreten war.  "Wir haben Sie bei der Informationsveranstalltung vermisst und ich wollte jetzt mal nach Ihnen sehen" 

Ich schaute auf meine Uhr, die ich schon im Flugzeug auf die neue Ortszeit eingestellt hatte und sah, dass es inzwischen kurz vor 17:00 war. Ich hatte verschlafen.
Der junge Kerl der vor mir stand konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen und meinte freundlich "Kein Problem, ich kann Ihnen das wichtigste ja schnell sagen".
Ich überlegte kurz und antwortete "Dann gehen wir aber dazu irgendwo hin, wo man einen guten Espresso bekommt"
"Hmmm, eigentlich sollen wir das nicht,...  mit Passagieren... "
" papperlapap..   Ich nehme das auf meine Kappe. Zu Hause ist jetzt wahrscheinlich Frühstückszeit, da brauche ich meinen starken Kaffee, gehen wir. "

Da ich ja noch vollständig bekleidet war, setzte ich mich in den Rollstuhl und er schob mich zur nächsten Bar." 

Dort erklärte er mir die wichtigsten Dinge über das Leben an Bord.
Wo gibt es wann etwas zu Essen und zu Trinken. Wie ist der Ablauf der Reise. Wo gibt es Informationen über Landausflüge...  Alles was man wissen muss...  oder auch nicht.
Das wichtigste für mich war, dass das Schiff am nächsten Morgen um 5:00 ablegen würde.
Das wollte ich auf keinen Fall verpassen. 

Ich bedankte mich für die freundliche Privat-Information und er zog von Dannen.
Es war mittlerweile gegen achtzehn Uhr und es meldete sich der Hunger.
Ausserdem wollte ich den "Kahn" noch etwas erkunden, damit ich mich schon mal besser orientieren konnte. 

Die Akkus meiner eMotion Räder waren voll..
Also zog ich los...

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