Posts mit dem Label Karibik werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Karibik werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Montag, 28. Dezember 2015

Tropicana, Cohibas und Mulatten




...  Nachdem ich einige Zeit mit den "alten Herren" mitten in Havana trinkend und lachend zusammen gesessen hatte, wurde es leider Zeit mich zurück auf den Weg zum Schiff zu machen. Schließlich wollte ich mich noch auf den Abend im "Tropicana" vorbereiten und musste auch noch den Weg zum Hafen finden. 

Also verabschiedete ich mich mit freundlichem Handschlag von meinen neuen Bekannten und sie spielten für mich ein letztes Lied, das langsam immer leiser wurde und schließlich verklang. 

Der Hafen war schnell gefunden und ich begab mich auf meine Kabine, um mich noch etwas hinzulegen, obwohl ich keinen Schlaf finden wollte.

Zu viele Eindrücke gingen mir durch den Kopf und die Musik der Strassenmusiker hallte immer noch in meinen Ohren.
Bilder von Che Guevara, alten amerikanischen Limosienen und der unvergleichlichen, flimmernden Luft der Karibik liefen vor meinem inneren Auge ab. 

Schließlich wurde es Zeit mich aufzumachen und ich richtete mich zu einer kubanischen Nacht im "Tropicana".  20:00 Uhr war Abfahrt bei den Bussen vor der Anlegestelle.  Meine Musikerfreunde hatten "Dienst"  für die Zurückgebliebenen und verabschiedeten sich von mir mit dem Auftrag ihnen zu berichten und so ging es wieder in einen der mit bunten Schildern gekennzeichneten Busse. 
Nach kurzer Fahrt kam wir schließlich am Tropicana an.
Ich weiß nicht ob ihr das auch kennt, wenn man zum ersten Mal irgendwo ankommt und die Vorstellung sich so gar nicht mit der Realität deckt?
Ein riesiger Busbahnhof voller Reisebusse erwartete uns und Schlangen von Menschen wurden durch Absperrungen gezwengt, die die Massen in drei geordnete Schlangen teilten, um sie anschließend, nach der Kartenkontrolle, wieder in einem Pulk auszuspucken. 
Ich befand mich nun im Inneren eines der berühmtesten Nachtclubs der Welt und was ich zu sehen bekam erinnerte mehr an einen bayrischen Biergarten als an die Mondänität eines berühmten Vergnügungstempels der Reichen und Schönen. 
Dort wo ich gedeckte Tische mit Champagnerkühlern erwarte hatte standen Biertische mit Coladosen und die Ober in schwarzem Livree und weißen Handschuhen, waren missmutig dreinschauende Platzanweiser in Strassenkleidung.
Einzig die überall stehenden riesigen Palmen zeigten mir ansatzweise wo ich mich befand. 


Schließlich war ich mit meinen Mitreisenden an eine der "Bierbänke" verteilt und eine ältere Kubaberin stellte wortlos und ungefragt lauwarme Coladosen und vergilbte, in Folie eingeschweißte Getränkekarten auf den Tisch. 
Ohjeh... 
Wieder einmal fand ich mich inmitten der Errungenschaften des modernen Massentourismus wieder. 

Neunzig Euro hatte ich für die Karte bezahlt,... mit einem Tischgetränk und Busfahrt allerdings. Wenn das so weiter ging, dann hatte ich also 3€  für eine Busfahrt, sagen wir 30€ für ein bisschen Varieté und 57€ für eine Dose lauwarmes Coke bezahlt. Wäre ich doch besser bei den Musikern in der Stadt geblieben und hätte mich mit ihnen gemeinsam gepflegt mit kubanischem Rum die Kante gegeben.
Zum Glück kam es aber doch noch anders.

Inzwischen war es halb zehn und plötzlich wurden die grellen Strahler, die bislang die Szenerie beleuchtet hatten dunkel und nach wenigen Sekunden erschien wie aus den Nichts ein einzelner bunter Lichtkegel, der sich mühsam durch künstlichen Nebel bohrte, auf der bis jetzt unscheinbar schlummernden runden Bühne. 

Ein Trommelwirbel von Bongos und Becken begleitete eine einzelne Tänzerin, die hinter dem sich senkenden Nebelschwaden auftauchte. 

"Welcome to Tropicana. We hope you will enjoy a Night of Karibik in famous Cuban nightclub in wonderful la Habana "  sagte die in einem glitzernden Salsa Kostüm mit riesigem Kopfschmuck bekleidete Schöne. 

Ein letzter lauter Paukenschlag durchdrang mit Gewalt
Was dann losbrach war ein dreistündiges Feuerwerk aus karibischen Klängen und Tanzdarbietungen, das den Legenden die sich um das Tropicana ranken endlich ein Gesicht gab. 


Als dann auch noch eine schöne junge Kubanerin in knappem Kostüm mit freundlichem Lächeln eine Flasche weißen Rum mit einigen Gläsern auf den Tisch stellte, konnte die Nacht unter dem Himmel Havannas beginnen. 

Jetzt machten sogar die Coladosen Sinn...  Cuba liebre. 

Nachdem ich heute auch noch weiss, was eine Dose der klebrigen US-Brause im durch das Embargo abgeschnittenen Kuba kostet, war diese Dose lauwarmen Gesöffes wertvoller als ein Dom Perignon und mit den Rum, im Verhältnis eins zu eins, auch noch genießbar. 

Erst jetzt bemerkte ich, dass rings um und uch über den Sitzbänken überall Bühnen und Stege gebaut waren, die sich nach und nach immer mehr mit knapp bekleideten Tänzerinnen füllten, die ihre jungen Körper in Salsarythmen schüttelten. 

Gegen ein Uhr morgens war das Spektakel zu Ende und der Inhalt der runden Freiluftarena ergoss sich wieder nach Aussen und verteile sich auf die wartenden Busse. 

Obwohl die Musik schon lange nicht mehr erklang, vibrierte die Luft immer noch auf seltsame Weise im Salsatakt. 

Wieder auf dem Schiff angekommen begab ich mich zuerst zu einem der beiden rund um die Uhr geöffneten Restaurants um noch eine Kleinigkeit zu essen. 

Dort traf ich die Jungs, die nach getaner Arbeit auch noch Hunger und vor allem Durst zu haben schienen. 

Peter erzählte, dass er über das Internet Kontakt zu einem Musikerkollegen geknüpft hätte, der in einem kleinen Club hier in Havana spielen würde. Da in der kommenden Nacht geplant war, dass kubanische Tänzer und Musiker das Showprogramm auf dem Schiff beschreiten silkten, hatten die Jungs da frei und wir beschlossen, den Club gemeinsam zu besuchen, in dem Pauls Kontakt "Anchel" spielte, um echte kubanische Musik zu erleben. 

Nach ein paar kleinen Bieren verabschiedeten wir uns und ich begab mich müde in meine Kabine um mir ein paar Stunden Schlaf zu gönnen.

Hinter meinen zum Schlaf geschlossenen Augen tanzten noch lange die vibrierenden jungen Körper im Salsatakt, bis ich schließlich in liefen Schlaf sank.







Samstag, 11. Juli 2015

La Habana (3)



Nach dem Anlege-Manöver im Hafen Havanas und einem ausgiebigen Frühstück wartete eine ganze Armada von Bussen auf uns Schiffsreisende. 

Es stand eine Stadtrundfahrt durch die kubanische Hauptstadt an, die ich Unwissender auch noch gebucht hatte. 

Ich habe eine Abneigung gegen alle Formen des Massentourismus und hatte schon die gesamte Reise nur gebucht, um dem Rollstuhl geschuldet, ein Stück Sicherheit zu haben. 

Und jetzt drängten um die fünfhundert deutsche Touristen mit Fotoapparaten und Bauchbeuteln bewaffnet in die bereitstehenden Busse, um sich kollektiv durch eines der letzten kommunistischen Bollwerke der Welt fahren zu lassen.  Das Ganze hatte schon etwas Süreales. 
 
Ich passierte also den kubanischen Zoll im Hafengebäude. Der Zöllner, in Uniform und mit dichtem dunklen Bart, kontrollierte meine Papiere und wünschte mir in gebrochenem Englisch einen schönen Aufenthalt. 

"Muchas gracias... " bedankte ich mich, was ihm sogar ein Lächeln auf sein strenges Gesicht zu zaubern schien. Zumindest vermutete ich dies, da bei seinem dichten Vollbart nur ein leichtes Zucken, dort wo ich den Mund vermutete, zu erkennen war. 

Vor dem Gebäude kam ein junger Mann auf mich zu, um mich auf den richtigen Bus zu verteilen. In schönstem hochdeutsch, mit einem Hauch von hamburger Platt untermalt, streckte er mir einen rosafarbenen Aufkleber entgegen. 

"Guten Morgen Herr Beckmann. Ich bin Thomas, ihr Reiseleiter für die heutige Rundfahrt durch Havana. Ich darf Sie bitten, diesen Aufkleber gut sichtbar an ihrer Schulter anzubringen. Er hat die selbe Farbe wie ihr Bus. Nicht, dass sie uns verloren gehen"

Ich sah, dass die Busse tatsächlich mit den unterschiedlichsten Farben gekennzeichnet waren. 

" wie jetzt?  Ich soll mir dieses Ding an die Schulter kleben, damit ich nicht vergesse in welchen Bus ich einsteigen muss? Ist nicht ihr Ernst, oder?" fragte ich ihn, mit einer Mischung aus Verwunderung und Ärger.

"das ist nur für uns, und den einheimischen Reiseleiter, damit wir wissen, wer alles zur Gruppe gehört." versuchte er mich zu beschwichtigen.
"...  also, ich bin mir sicher, dass ich auch ohne einen rosa Aufkleber einzigartig genug bin, sodass man mich weder übersehen, noch verlieren kann. Stecken Sie das Ding bloß wieder weg"  gab ich ihm lächelnd aber bestimmt zurück. 

Nachdem mein Rollstuhl im Bauch des rosa gekennzeichneten Busses verstaut war ging die Rundfahrt auch schon los.

Die Zeit schien in den Straßen Havanas tatsächlich in den Fünfzigern stehen geblieben zu sein.
Alles, die Gebäude, die Autos und die Straßen sahen aus, wie einem Film mit Gregory Peck und Audrey Hepburn entsprungen.
 Allerdings sah man bei näherem Hinsehen doch, dass fünfzig Jahre US-amerikanisches Embargo ihre Spuren hinterlassen hatten. Ein Großteil der Gebäude schien kurz vor dem endgültigen Zerfall zu stehen. 

Zwischen den historischen Fassaden, mit ihrem zweifellosem Charme vergangenener Epochen, gab es dann auch immer wieder solche Gebäude, die vom Charme sovietischer Baukunst des frühen zwanzigsten Jahrhunderts zeugten.

Die nette dunkel-häutige Kubanerin, die mit einem Mikrofon bewaffnet die Rundfahrt kommentierte, klärte uns auch sofort auf, als hätte sie erkannt, dass uns diese Bauwerke nicht so recht zum restlichen Bild der Stadt passen wollten. 

"zur Linken sehen sie die Gebäude der kubanischen Regierung. Das, mit dem Gesicht des großen Kämpfers für die kubanische Unabhängigkeit, Che Guevara, ist der Justizpalast. "

Insgesamt, war die Stadtrundfahrt sehr interessant. Der Bus war klimatisiert und die Kleine die uns dabei mit Informationen versorgte war wirklich süß. 

Zu meiner Überraschung klangen neben den typischen Lobreden auf die Leistungen Fidel Castros für das kubanische Volk, immer wieder auch durchaus kritische Bemerkungen an.

"Das kubanische Gesundheitssystem ist immer noch eines der besten der lateinamerikanischen Welt. Leider hat es aber in den letzten Jahren etwas an Effizienz verloren"... oder...  "Solche Busse wie dieser hier sind nur für Touristen. Die Kubaner fahren mit solchen Bussen (zeigt dabei auf einen echten Oldtimer der vorbei fährt)...  Dafür sind sie aber kostenlos..."

Man merkte ihr an, dass sie stolz war auf ihr Land, aber trotzdem auch kritisch in einer Form, wie ich es nicht erwartet hätte.

In einer Pause, während wir zur nächsten Attraktion, einer Reihe sowjetischer MIG's vor Castros Regierungspalast fuhren, fragte ich sie deshalb, "Haben Sie denn keine Angst, wenn sie sich so kritisch äußern?" 

Sie schaute mich zuerst sehr überrascht, dann aber eher belustigt an. 


"Ich glaube sie haben ganz falsche Vorstellungen vom Leben in Kuba. Wir sind doch ein freies Volk, das sein Land liebt. Wir sind nicht reich, aber die Regierung sorgt für alles Wichtige. Ist das in Deutschland auch so? Und seit ein paar Jahren dürfen Privatpersonen ihre eigenen kleinen Geschäfte haben...
Es geht uns gut, auch wenn die Amerikaner uns immer noch von Vielem abschneiden, was nötig wäre. Schauen Sie sich die schönen Gebäude an, sie zerfallen, weil das Material fehlt um sie zu restaurieren. Ist das nicht eine Schande? Sie werden hier aber keine Slums finden und Menschen die in Mülltonnen nach Essen suchen müssen, wie in den großen Städten der USA... "

Sie hatte sich in das Thema so sehr hinein-gesteigert, dass man trotz ihrer dunklen Haut sehen konnte, wie sie errötet war. 

Inzwischen waren wir zum Glück am Ziel angekommen und sie nahm wieder ihr Mikrofon in die Hand. Später erfuhr ich von ihr, dass sie, aus ärmlichen Verältnissen stammend, vom Staat ihr Politikstudium finanziert bekommen hatte.

Nachdenklich geworden beschloss ich, erst einmal mehr zu beobachten, statt voreilig zu bewerten. Wer gab mir das Recht über ein Land und deren Menschen zu urteilen, die ich nur aus unserer westlichen Berichterstattung kannte. 

Natürlich gingen mir auch die Geschichten von Verfolgung politisch Anderdenkender durch den Kopf, die ohne Verhandlungen in dunklen Gefängnissen verrotteten oder unter Folter gebrochen wurden. 

Ich wollte jetzt aber erst einmal ansehen, was Kuba mir noch so alles eröffnen würde. 

Am Ende der Rundfahrt angekommen eröffnete uns aber erst einmal Reiseleiter Thomas, dass wir jetzt gemeinsam, also alle mit einem rosa Aufkleber an der Schulter, zu Fuss zurück zum Schiff gehen würden um dabei noch mehr von Havanas Zentrum zu Gesicht zu bekommen. 



Kaum, dass mein Rollstuhl ausgeladen war und ich mich gesetzt hatte, um die Stimmung der Stadt etwas besser in mich aufnehmen zu können, rollte die Karawane auch schon weiter in Richtung Kathedrale... als wären wir eine Horde Japaner, die Europa in zwei Wochen komplett bereisen mussten. 

Schon von weitem hörte ich Musik und als ich näher kam, saß am Straßenrand eine Gruppe älterer Herren und spielte, auf offenbar selbst gebastelten Instrumenten, kubanische Santeria-Musik. 

Das war es, was ich erleben wollte.
  

Meine Mitreisenden fotografierten ungeniert und hektisch, als würden sie Tiere im Zoo ablichten. 

"So, weiter geht's, wir wollen dann auch noch die Tabakfabrik besuchen und müssen rechtzeitig am Schiff sein, für diejenigen die heute Nacht das 'Tropicana' besuchen wollen " trieb Thomas die Gruppe an. 

Nein, das war genau Das, was ich nicht erleben wollte. 

Den 1939 eröffneten Freiluftnachtclub allerdings, den wollte ich mir wirklich nicht entgehen lassen. Schon Josephine Baker hatte dort ihren berühmten Bananentanz gezeigt und Grössen wie Nat King Cole oder Marlone Brando hatten zu seinen Bewunderern gehört.

"Ich bleibe dann hier. Der Hafen ist leicht zu finden und ich komme schon zurecht " sagte ich, ungläubige Blicke auf mich ziehend.
" Sind Sie sicher? '
"Wie sehe ich denn aus, unsicher?"
antworte ich Thomas, der noch etwas von 'aufpassen', 'Verantwortung' und ähnlichem murmelte, dann aber mit guten Wünschen für mich, schnell hinter der Gruppe 'rosa' herging, die schon einmal weiter gehetzt war.

Yep..., endlich alleine. Ich nickte den alten Herren freundlich zu und blieb, die Musik, die gesamte Stimmung, einfach Alles,in mich aufsaugend bei den Musikern sitzen. 
In einer kurzen Pause, rollte ich näher zu ihnen hin, streckte ihnen meine Rechte entgegen und versuchte mich in meinem furchtbar schlechten Spanisch. 

"Ola, senores. Buena Musica.
Perdon, non habla Español. Habla Ingles?"

Ich schien verstanden worden zu sein, auch wenn das schmunzeln auf ihren Gesichtern vermuten lies, dass ich wohl einige Fehler gemacht hatte. 


" little" antwortete der, den ich für den jüngsten gehalten hatte.
"you like? Will hear? " fragte er weiter.
" yes, indeed, I like it very much " gab ich zur Antwort und sie begannen wieder zu spielen. 

Unweit entfernt gab es ein kleines Café und ich bekam Lust auf einen solchen. 

" Do you like a coffee? " fragte ich, dabei in ihre Gesichter schauend, die zustimmend lächelten, während der Eine zur Antwort gab.
" Thank..  better Money...  for 'familia'"
Ich drehte mich ohne Antwort um, fuhr zu dem  Café, fragte die junge Bedienung, ob sie wisse, was die Musiker gerne trinken würden und bat sie, alles zusammen mit einer Tasse Kaffee über die Straße zu bringen. Daraufhin rollte ich wieder zu der Band zurück. 

Wenig später kam ein junger Mann mit einem kleinen Tischchen und stellte dieses freundlich nickend neben mir ab.
Kurz darauf kam dann auch die Bedienung mit einer halb vollen Flasche Rum, einer großen Flasche Wasser, einer dampfenden kleinen Kanne nebst Tassen und Gläsern und stellte alles neben mir auf den Tisch. 

Ich bedankte mich bei ihr, schenkte ein und winkte den immer noch spielenden Musikern zu, sie sollen sich doch zu mir gesellen.
Fast unmittelbar hörten sie auf zu spielen und kamen auch gleich zu mir an den Tisch. 

Sonntag, 28. Juni 2015

Mayas und Che Guevara (1)



Nach ein paar Tagen Unterbrechung setzte ich meinen Reisebericht heute fort.
Es fiel mir die letzten einfach schwer, mich bei "Herbstwetter" auf meine, doch schon 12 Jahre zurück liegende, Karibik Reise zu konzentrieren. 

Auch jetzt sitze ich bei ungemütlichen 12 Grad auf meiner Terrasse und versuche das karibische Gefühl durch Musik von Ibrahim Ferrer zu erzeugen.
Also kann es weiter gehen. 

.... 



Pünktlich um 4:00 stand ich auf, um mir anzusehen wie das Schiff aus dem Hafen von Montego Bay in Richtung Cozumel auslief.
Am Vorabend hatte ich noch solange das Schiff erkundet, bis die Akkuanzeige meines Restkraftverstärkers rot aufblinkte , um mir anzuzeigen, dass er jetzt bald an das Ladegerät müsste. 
Bei meiner Erkundung bezuchte ich, nicht ohne mich dabei mehrmals im Labyrinth der Gänge zu verlieren, alle zwölf Decks der "Arosa Cara", wovon die Decks 4 bis 7 die Passagierkabinen beherbergten. Rund 1.200 Passagiere fanden hier Platz. 

In den darunter liegenden Decks waren nochmal so viele Personen untergebracht, die allerdings zum Arbeiten, nicht zum Urlaub machen an Bord wahren. 
Über den Passagierdecks lagen dann die Decks mit Restaurants, Bars, Theater, Spa Bereich und eben Allem was den an Bord befindlichen Passagieren den Aufenthalt angenehm und interessant gestallten sollte. 
Es war wirklich eine kleine schwimmende Stadt, und wie bei einer kleinen Stadt, musste man sich erst einmal zurechtfinden, zumal mit dem Rollstuhl der ein oder andere Umweg notwendig war.
Da gab es Türen die zu schmal und Absätze die zu hoch waren , doch auch immer einen Weg um dies zu umgehen. 
Meine kleinen "Verfahrer" führten mich zu den Kabinen des Deckpersonals, zu den Unterkünften der Matrosen und auch den Kapitän durfte ich dabei schon kennenlernen. Nebenbei erfuhr ich dann noch, dass das erste Ziel die Insel Cozumel sein sollte, die der mexikanischen Halbinsel Yucatan vorgelagerte drittgrößte Insel Mexikos. 

Es ist eine Begleiterscheinung beim Reisen mit dem Rollstuhl, dass man sich schon rein optisch vom Rest der Menschen unterscheidet. 
Dies hat zut Folge, dass es scheinbar leicht ist im Gedächtnis derer zu bleiben, die man dabei trifft.

So war es auch hier. Als einer von 4 Rollstuhlfahrern unter 1.200 Passagieren, war ich schon nach meiner nächtlichen Exkursion bekannt, wie der sprichwörtliche "bunte Hund".
Nach einer Nacht auf See, war in Cozumel ein ganztägiger Ausflug zu den Maja-Ruinen geplant, für den festes Schuhwerk und gute körperliche Verfassung empfohlen wurde. 
Na, das fing ja gut an. Ich komme mit meinem Rollstuhl zwar fast überall hin, aber eben nur "fast".
Und über Steinbrocken und auf Pyramiden klettern konnte ich beim besten Willen nicht.
Ich bezweifelte auch, dass die Mayas, auch wenn sie für ihre Zeit Grosses geleistet hatten, schon behindertengerecht gebaut hatten.
Also bedeutete das für zwei Tage, diese am Pooldeck oder in einem Hafencafé zu verbringen, was für mich nach der, doch strapaziösen  Anreise, vielleicht auch ganz gut war. 
... 
Nachdem ich mich frisch gemacht hatte, begab ich mich auf Deck 5 ans Heck des Schiffes, um von dort aus zu beobachten, wie das Schiff in See stach. 
Es gab dort eine Art Balkon und ich machte es mir an der Reling bequem. Unterwegs hatte ich mir noch meinen Thermobehälter mit frischem Kaffee auffüllen lassen, hatte mir von einem der philippinischen Jungs, die dabei waren das Frühstücksbuffet zu füllen, zwei noch warme Brioche besorgt und meine Zigaretten hatte ich auch dabei. 
So ausgestattet beobachtete ich völlig ungestört den wundervollen Sonnenaufgang über Jamaika und frühstückte nebenbei. 



Weit über mir konnte ich leise die Stimmen weiterer Frühaufsteher vernehmen, die das Schauspiel wohl vom Pooldeck aus verfolgen wollten.
Wie in diesen Breiten üblich, war der Sonnenaufgang intensiv, aber kurz. Die eben noch dunkle Nacht, nur unterbrochen von den Lichtern Montego Bays, wandelte sich in nur wenigen Minuten zu hellem Tag. 

Zu meinem ersten Tag auf See. 

Die Sonne stieg, am nicht ganz wolkenlosen Himmel, hinter den Hügeln Jamaikas auf und tauchte die Insel zuerst in tiefes Rot, dann in sonniges Gold, um schließlich in einem gleissenden Gelb die See in einem hellen Azurblau strahlen zu lassen. 
Ein tiefes Brummen riss mich unsanft aus der ruhigen Sanftheit meiner Beobachtungen. 

Beim Blick über die Reling auf den Wasserspiegel konnte ich am aufschäumenden Wasser erkennen, wie die Motoren sich und damit das Schiff in Bewegung setzten. 
Mit einem Kaffee in der einen und einem Brioche in der anderen Hand, sah ich, wie Jamaika sich immer mehr mit dem Horizont verband und schließlich verschwunden war. 
 
Wir befanden uns auf hoher See mit Ziel Mexiko. 
Es tröstete mich zu wissen, dass wir am Ende der ersten Woche meines Urlaubs, nochmals Jamaika anlaufen würden, was mir dann Gelegenheit geben würde, die Insel des Reggae und der Rastafaries besser kennen zu lernen. 
Nach einem Tag und einer Nacht auf See sollten wir dann das Ziel der ersten Etappe, Cozumel, erreichen. 
Nachdem wir uns auf hoher See befanden, es war mittlerweise gegen 9:00 vormittags, rollte ich in eines der Resaurants um nochmal ausgiebig zu frühstücken, was mir erstmals in Ruhe die Gelegenheit gab, meine Mitpassagiere näher zu begutachten. 

Als erstes bemerkte ich, dass ich mit meinen 41 Jahren zu den jüngeren Passagieren gehörte. 
Nun gut, ich hatte mich absichtlich für ein Schiff entschieden, das nicht zu den Partyschiffen der Flotte gehörte.
Trotzdem kam ich mir in dem Moment mehr vor, wie auf einer Kaffeefahrt eines örtlichen Busunternehmens.

Das Frühstüchsbuffet wurde geradezu überfallen und die Menschen schleppten vollbepackte Teller an ihre Plätze, als ginge es darum, wer wohl seinen Teller am vollsten laden kann, ohne unterwegs etwas zu verlieren.

Die fleissigen, meist phillipinischen Helfer, waren dann damit beschäftigt die zurück gelassenen Schlachtfelder schnell wieder zu säubern. Dabei entsorgten sie dann Unmengen von nicht verspeistem, was mich auch nicht weiter wunderte, da Pancakes mit Ahornsirup, Räucherlachs mit Senfsauce, Ham and Eggs und Nuss-Nougat-Creme, garniert mit einm Spiegelei und Himbeermarmelade, zusammen auf einem Teller ja auch nicht schmecken können.

Nachdem ich meinen Espresso und ein Schokoladencroissant zu mir genommen hatte, begab ich mich, ausgestattet mit den erasten Eindrücken von meinen Mitreisenden auf mein Zimmer, hoffend, dass bei über tausend Passagieren doch wengstens ein paar dabei sind, mit denen man ein paar schöne Stunden verbringen kann.

Auf meiner Kabine angekommen musste ich feststellen, dass meine Akkus schon wieder zur Hälfte leer waren, obwohl ich sicher nicht zehn von den angegebenen 20 km Reichweite zurück gelegt hatte.
Allerdings war en auch alle Gänge mit recht tiefen Teppichböden ausgelegt, die das Fahren mit dem Rollstuhl sehr erschwerten und die entsprechend viel Energie gekostet haben dürften.

Ich legte mich zwei Stunden auf mein Bett und verspührte schon wieder Hunger. Dies muss wohl an der Seeluft gelegen haben. 
Also stand ich auf, zog mich um und rollte, dieses mal in das andere Buffetrestaurant an Bord.

Auch hier wieder das selbe Bild wie zum Frühstück. Lange Schlangen bildeten sich an beiden Buffettheken.
Todesmutig reihte ich mich am Ende der einen Schlange ein, darüber nachdenkend wie ich den Teller mit Sauce wohl heil an meinen Tisch bringen würde. Vor mir in der Schlange stand ein grosser Kerl, der trotz seiner Grösse, genauso breit wie hoch wirkte.

"Der bräuchte eigentlich sowieso nichts mehr zu Essen" dachte ich so vor mich hin, während ich mir einen leeren Teller auf den Schoss stellte.
So rollte ich, brav in der Schlange bleibend, an den Salaten und Vorspeisen vorbei, immer dem Fleischklops vor mir folgend.
Ich hatte einfach nur Lust auf etwas warmes und hatte weiter vorne an der Theke schon etwas entdeckt, was mich ansprach.
MeatLoaf war natürlich vor mir an der Stelle an der ein kleiner Phillipini Scheiben von einem grossen Stück Roastbeef abschnitt und den wartenden reichte.

"Nu, geben se mir een grosses Stück von dem Fleische da. Aber a scheenes nu!!" bellte der Fleischklops in klarsten Sächsisch vor mir, während er seinen, schon mit allem was vorher aufzuladen war gefüllten, Teller über die Theke reichte.

Der junge Kerl hinter der Theke schnitt, mir ein verstohlenes lächeln zuwerfend, eine dicke Scheibe des Resttückes Roastbeef ab, das noch vor ihm lag und legte es auf den ihm hingestreckten Teller.

Fleischklops wälzte sich eine Station weiter zu den Beilagen und ich kam endlich zum Fleisch.

"Hello Sir, would you please be kind and pass me over a small slice of this roastbeef?" sagte ich betont feundlich um mich vom rüden Ton meines Vorgängers zu unterscheiden.

Der junge Mann schmunzelte und antwortete "You're wellcome Sir. Wait a second, i will look for a new piece in the kitchen. This one is not a good piece" Mit diesen Worten verschwand er durch die Schwingtür hinter ihm und kam kurz später wieder mit einem neuen Roastbeaf zurück, von dem er mir zwei wunderschöne rosa Scheiben abschnitt. Das wohl etwas zähe Reststück, hatte er mitgenommen.

Inzwischen hatte mein fülliger Vor-Gänger die Beilagen erreicht und wohl auch davon schon kräftig aufgeladen. Jetzt stand er hilflos umherschauend vor der Theke, in der linken Hand seinen überfüllten Teller, in der rechten Hand eine Schöpfkelle mit, wie ich beim näherkommen bemerkte, Nudelsalat.

Seine fragenden Blicke schienen zu bedeuten, dass er, trotz jahrelanger Erfahrung, keinen Platz für den Nudelsalat auf seinem Teller mehr finden konnte.

Andererseits schien er sich von den Nudeln aber auch nicht mehr trennen zu wollen, oder er traute sich dann doch nicht den Salat zurück un die Schüssel zu tun.

So stand er ziemlich hilflos, bis ich ihn, immer auf die Soße in meinem Teller achtend, langsam erreichte.

"Wenn ich ihnen helfen darf" sprach ich ihn an "wenn sie den Daumen ihrer linken Hand etwas zur Seite schieben, dann gibt das sicher wieder etwas Platz auf dem Telle"

Wenn ich damit gerechnet hatte eine wütende, oder zumindest überraschte Reaktion ausgelöst zu haben, hatte ich weit gefehlt.

Mit einem dankbaren Nicken, schob er seinen Daumen geschickt auf dem Tellerrand etwas zur Seite, so dass er in eine Art Tomatensoße gequetscht wurde... und klatschte daraufhin den Nudelsalat teils auf die freigewordene Stelle, Teils auf ein Stück Fisch, das bislang auf... na ich weiss nicht was ... lag.

"Jetzet reicht es dann ooch..." stellte er noch siegesbewusst fest und walzte von Dannen.

Ich wusste im Moment nicht ob ich lauthals lachen sollte oder einfach nur den Kopf schütteln. Ich entschied mich für ein drittes und suchte mir lieber einen Platz.

Es ist immer wieder interessant wie Menschen die seit Wochen nichts mehr zu Essen bekommen hatten, sämtlichen Anstand verlieren und sich rücksichtslos der Nahrungssuche und der anschließenden Vernichtung der Selben widmeten.

In diesem Kampfschauplatz war es alles Andere als einfach unbeschadet mit einem Teller Roastbeef mit Kroketten, etwas Gemüse und Soße, den Weg zu einem freien Platz zu finden.

"Soll ich dir den Teller abnehmen und zum Tisch bringen? Die spinnen ja wieder total heute. Klar ist für viele der erste Tag mit freiem Gefresse" hörte ich hinter mir eine tiefe Stimme sagen.

Mich, wegen der Soße vorsichtig, umdrehend zeigte sich mir ein völlig unerwartetes Bild. Vier in schwarze Anzüge, weisse Hemden, schwarze Kravatten und dunkle RayBan Sonnenbrillen gekleidete Männer kamen auf mich zu. Der, welcher mich angsprochen hatte, trug noch einen ebenso schwarzen Hut und hatte seine langen blonden Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden.

"Oh Gott, die Blues Brothers, dass ich sowas noch erleben darf" schoss es aus mir hervor. 
"na klar, aber ich hätte heute auch nicht mehr Kojak als Easy Rider gerechnet..." bekam ich als Antwort.

Zum Zeitpunkt der Reisae hatte ich mir die Haare bis auf zwei Millimeter abrasiert, so dass der Vergleich nicht ganz von der Hand zu weissen war.

Die vier Typen fielen zwischen den, stilsicher als Touristen verkleideten, älteren Herrschaften genau so auf, wie ich mit kahlem Kopf, Jeans und schwarzem Rippshirt in meinem Rollstuhl.

"Danke, ist eine gute Idee " sagte ich und reichte dem, der mich angsprochen hatte meinen Teller.

"Wir haben einen reservierten Tisch, draussen, ein Platz ist noch frei, kannst dich gerne dazusetzen Cowboy" sagte er breit grinsend.

"Gerne, was besseres finde ich hier sowieso nicht mehr" entgegnete ich ebenfalls grinsend, froh Fleischklops und Kollegen entkommen zu sein.

Er nahm meinen Teller und brachte in nach draussen, währnd seine Kollegen zum Büffet gingen.

"Ubrigens, Hans-Peter, oder beser HaPe" sagte ich zu ihm und streckte ihm meine Rechte entgegen.

"Reiner, oder Chuck,..."

"... wir müssen ihn immer Boss nennen..." rief eine der drei jungen Frauen, die schon am Tisch sassen dazwischen"
"... ich denke du kommst klar" nahm Chuck wieder das Wort "Lass dir nichts aufschwatzen, ich hole mal was zu Futtern"

Chuck verschwand und ich setzte mich zu den Mädels an den Tisch. 

Wie man wohl bemerkt hat, strimmte die Chemie sofort.
Die Männer in schwarz und die drei Frauen gehörten zu einer Bluesband aus Aachen, die für die Reise engagiert worden war.

Sie waren in Warnemünde an Bord gegangen und hatten schon die 20 tägige "Seeroute" hinter sich. Jetzt würden sie sie die selbe 14 tägige Karibikkreutfahrt wie ich mitmachen und im Anschluss wieder 20 Tage zurück übers offene Meer. 

... Fortsetzung folgt (kann nicht mehr tippen)































Montag, 22. Juni 2015

An Bord der Arosa



Endlich! 

Ich habe meine schwimmendes Hotelzimmer gefunden und, welch Wunder, mein Koffer war auch schon da. 

Es ist schon toll, wie das so funktioniert. Es kommen über 200 Menschen an, und innerhalb einer guten Stunde ist das ganze Gepäck dort wo es hingehört. 

Unterwegs durch die schier endlos scheinenden Gänge, hatte ich nochmal Herbert mit seiner Frau getroffen, die ihr Zimmer auf dem falschen Deck suchten, was aber schnell zu klären war.
Herbert war inzwischen wieder sehr entspannt und lächelte mich freundlich an. 

Sein Versuch mit verwaschener Sprache mit mir zu reden wurde allerdings sofort von seiner Frau unterbrochen.
"Er möchte sich bei Ihnen bedanken und sagen, dass es ihm wieder gut geht... "
" Dumme Kuh, woher willst du wissen was Herbert sagen will"
ging es mir durch den Kopf, während ich aber sagte "kein Problem, ist doch selbstverständlich. Aber sie können Herbert ruhig selbst reden lassen, ich habe Zeit" 

Herbert nahm meine Hand und drückte sie fast unmerklich, während ein Lächeln über sein hageres Gesicht glitt.
Er schien das schon zu kennen, dass seine Holde für ihn sprach und hatte sich wohl in sein Schicksal ergeben.
Während des Gesprächs stellte sich heraus, dass Herbert, wie ich es schon vermutete, an MS erkrankt war.

Seine Frau erklärte mir, in seinem Namen, dass er unbedingt diese Reise machen wollte und seine Frau ihm diesen Gefallen getan hat obwohl das für sie ja der pure Stress sei. Sie könne ja auch kein Englisch,  weil sie nie die Möglichkeiten hatte zu der Zeit ihrer Jugend, und dann noch ihr schweres Los mit Herbert...
Das Lächeln auf Herberts Gesicht war verschwunden. 

"Na toll " dachte ich.
Einerseits kam mir sofort der Gedanke, dass ich Herbert gerne aus seiner Tristesse heraus geholfen hätte...
Andererseits hatte ich auch Urlaub, schwer erspart, und dringend nötig.
Also beschloss ich, den beiden aus dem Weg zu gehen, was mir selbst heute noch, Jahre später, so ein undefiniertes Gefühl von schlechtem Gewissen macht.

Wie gesagt war ich also in meiner neuen kurzzeit Bleibe angekommen.
Es war eine Innenkabine, hatte also keine Fenster nach Aussen.
Die Ausstattung war durchaus gemütlich und es war auch mit Rollstuhl genügend Platz.
Auch der dusch und wasch Bereich war wirklich funktional.. Ausserdem hatte ich sowieso nicht vor, mich allzuviel hier aufzuhalten.

Bis zur Informationsveranstalltung um 15:00 Ortszeit war noch eine gute Stunde Zeit.
Ich legte mich aufs Bett...  und schlief ein...
Ich träumte von meinen Freunden zu Hause. Vom Skifahren in St. Anton... Von einer Lawine die mich überrollte, von der beklemmende Dunkelheit und der Angst in meinem dunklen Grab. 

... Plötzlich ein leises klopfen...
Sie haben mich gefunden..
Das Klopfen wurde lauter...
"Ja, holt mich hier raus", hörte ich mich selbst rufen...  Und wachte auf. 

Immer noch zwischen Traum und Wirklichkeit gefangen, brauchte ich einige Zeit um zu realisieren, dass das Klopfen durchaus real war.
"Ja bitte, was ist denn "rief ich  und die Tür ging auf.
" ist mit Ihnen alles in Ordnung?" fragte mich der Steward, der eingetreten war.  "Wir haben Sie bei der Informationsveranstalltung vermisst und ich wollte jetzt mal nach Ihnen sehen" 

Ich schaute auf meine Uhr, die ich schon im Flugzeug auf die neue Ortszeit eingestellt hatte und sah, dass es inzwischen kurz vor 17:00 war. Ich hatte verschlafen.
Der junge Kerl der vor mir stand konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen und meinte freundlich "Kein Problem, ich kann Ihnen das wichtigste ja schnell sagen".
Ich überlegte kurz und antwortete "Dann gehen wir aber dazu irgendwo hin, wo man einen guten Espresso bekommt"
"Hmmm, eigentlich sollen wir das nicht,...  mit Passagieren... "
" papperlapap..   Ich nehme das auf meine Kappe. Zu Hause ist jetzt wahrscheinlich Frühstückszeit, da brauche ich meinen starken Kaffee, gehen wir. "

Da ich ja noch vollständig bekleidet war, setzte ich mich in den Rollstuhl und er schob mich zur nächsten Bar." 

Dort erklärte er mir die wichtigsten Dinge über das Leben an Bord.
Wo gibt es wann etwas zu Essen und zu Trinken. Wie ist der Ablauf der Reise. Wo gibt es Informationen über Landausflüge...  Alles was man wissen muss...  oder auch nicht.
Das wichtigste für mich war, dass das Schiff am nächsten Morgen um 5:00 ablegen würde.
Das wollte ich auf keinen Fall verpassen. 

Ich bedankte mich für die freundliche Privat-Information und er zog von Dannen.
Es war mittlerweile gegen achtzehn Uhr und es meldete sich der Hunger.
Ausserdem wollte ich den "Kahn" noch etwas erkunden, damit ich mich schon mal besser orientieren konnte. 

Die Akkus meiner eMotion Räder waren voll..
Also zog ich los...

Samstag, 20. Juni 2015

Die schwimmende Stadt

Endlich waren wir am Hafen angekommen.
Doch noch sollte es nicht auf das schon wartende Schiff gehen, da noch die üblichen Formalitäten zu erledigen waren. Immerhin verließen wir mit dem Gang an Bord Jamaika und waren dann,...  Ja was eigentlich? Staatenlos?
Diese unnötige Überlegung wurde mir von der freundlichen Dame in ihrer adretten Uniform abgenommen, die mir mit breitem Lächeln ein Glas Sekt in die Hand drückte.
"Willkommen zu ihrem Urlaub auf der 'aRosa'. In Kürze werden wir an Bord gehen. Nur noch die Zollformalitäten, dann geht es auch schon los. Ich muss Sie darauf hinweisen, dass Sie keine Drogen oder Waffen mit an Bord nehmen dürfen. Heute um 15:00 findet im Atrium dann eine Informationsveranstaltung für unsere neuen Gäste statt"
Während sie routiniert ihren Text abspielte, hatte sie in ihren Unterlagen, die sie wohl auf ihrem Klemmbrett mit sich führte, meine Daten herausgesucht.
"H. Beckmann, ihre Kabine befindet sich auf Ebene 5, Nr 548, rechte Seite. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt an Bord. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an mich oder an eine meiner Kolleginen"

Die Schlange vor der augenscheinlich extra aufgebauten Zollkabine war inzwischen aufgelöst und ich rollte auf den wichtig dreinschauenden Zollbeamten zu.
"Anything to declare? Drugs, weapons? " fragte er ohne mich dabei anzusehen in leicht gebrochenem Englisch.
"no weapons and just the drugs I need for my daily use" gab ich ihm als Antwort zurück.

Sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich, hellte sich aber sofort wieder auf als er mich von oben bis zu den Rädern musterte.
"you mean medicine? Right? "

Ich musste mich zurückhalten, um nicht auszuprobieren wie weit man mit Späßen gehen konnte, wollte aber den Bogen nicht überspannen 
" Yes Medicine " antwortete ich während er mich mit seinem Metalldetektor abtastete.

Da so ein Rollstuhl nun mal aus Metall gefertigt ist, piepste natürlich der Apparat durchgehend, was ihn aber nach der Klärung der Drogenfrage nicht mehr weiter interessierte.
" ok, nice Holiday " brummte er noch und winkte mich weiter.

Da stand ich nun also vor dem Schiff, das für die nächsten vierzehn Tage meine Heimat sein sollte.
Neun Stockwerke hoch, zählte ich und Rollte über die Gangway in den Bauch der schwimmenden Stadt.


Freitag, 19. Juni 2015

Ankunft in Jamaica

Mit eMotion und Emotionen durch die Karibik


Kurz nach dem Millennium-Wechsel entschloss ich mich dazu  eine Kreuzfahrt zu machen.

Ich stellte mir vor, eine Reise zu buchen, in der ich in überschaubarer Zeit viele Länder zu sehen bekäme und trotzdem immer einen Anlaufpunkt haben würde.
Ein solcher Anlaufpunkt war mir mit dem Rollstuhl einfach wichtig.
Ausserdem sollte es keines der Partyschiffe sein, da ich zu dem Zeitpunkt, warum tut nichts zur Sache, genug der Weiblichkeit  hatte.

Also habe ich kurz entschlossen auf der "Arosa" eine behindertengerechte Kajüte für eine zwei Wochen Kreuzfahrt in die Karibik gebucht.
Mexiko, Jamaika, Tortuga, Kuba die niederländischen Antillen und Venezuela standen auf dem Programm. Mein bester Freund Thomas fuhr mich nach Frankfurt auf den Flughafen und nach gut neun Stunden Flug setzte der Vogel zur Landung in Jamaika an.


Nach der Landung und den üblichen Formalitäten ergoss sich der gesamte Inhalt des Flugzeuges auf einen tristen Vorplatz, auf dem auch schon mehrere Busse warteten, um uns Urlauber zum Schiff weiter zu transportieren...




Irgendwie hatte ich mir Jamaika allerdings anders vorgestellt.
Bunter irgendwie, Reggae Musik überall, Rastas mit qualmenden Tüten im Mund und die Luft voll süssen Gerüchen.

Was ich zu sehen bekam, war ein Heer übermüdeter Touristen, grauer Himmel und nach Abgasen stinkende Luft. 


Immerhin wurde von der betont freundlichen Dame, die uns schon am Zoll in Empfang genommen hatte mitgeteilt, dass das Gepäck direkt zum Schiff weitergeleitet würde und wir es schon in der Kabine vorfinden würden.
"Na, schauen wir mal "ging mir durch den Kopf. Immerhin hatte ich schon mal meinen Rollstuhl wieder und den Rucksack mit dem Handgepäck auf dem Schoss liegen

.
"Rollstuhl, Kreditkarte und eine Schachtel Zigaretten... Damit komme ich erst mal über den Tag" ging es mir durch den, mittlerweile doch sehr müden, Kopf . 


Ausser mir war noch ein weiterer Rollstuhlfahrer an Bord der Maschine gewesen.
Er, so um die sechzig und offensichtlich schwer behindert, kaum bewegungsfähig und mit Nackenstütze am seinem Rollstuhl war in Begleitung einer Frau gleichen Alters.

Die meisten der Mitreisenden wurden zügig in Reisebusse verladen, während für uns Rollstuhlfahrer, eine vielleicht achzigjährige Dame mit Gehstock und die Begleitpersonen ein spezieller Transport organisiert worden war.

Die Busse waren schon längst abgefahren als unser "Spezialtrabsport" schliesslich ankam.
Es war ein Toyota Neunsitzer, wie er überall auf der Welt zu finden ist und dort zum Transport von Waren und Menschen benutzt wird. Speziell war an diesewm Modell allerdings nur, dass nichts spezielles daran zu finden war, vielleicht abgesehen davon, dass der deutsche TÜV ihn nicht einmal mehr zum Transport von Sperrmüll auf dem Restguthof zugelassen hätte.

Es gab weder eine Rampe, noch eine Einstiegshilfe, ganz abgesehen von so etwas wie einer Hebevorrichtung..

Da ich keine eigene Begleitperson dabei hatte, bot sich meine Sitznachbarin aus dem Flugzeug an mir zu helfen, was ich auch sehr gerne angenommen hatte, meine guten Vorsätze schon fast wieder vergessend. Wir setzen uns, nachdem mein Rollstuhl hinter einer Sitzreihe verstaut war auf unsere Plätze und hofften darauf bald am Schiff anzukommen.

Allerdings sollte eine groteske Szene für weitere Verzögerung sorgen.

...  Endlich saß ich nun in dem Kleinbus, der mich an den Hafen und zum Schiff bringen sollte. Der lange Flug und die etwas stressige Verladung in das "Spezialfahrzeug" zeigten ihre Wirkung.
Selbst das Gespräch mit meiner neu erworbenen Begleitung war mir im Moment eher zu anstrengend.
Auf der Suche nach einem guten Grund, weshalb die Reise nicht weiterging wanderte mein müder Blick durch die schmutzige Scheibe nach Aussen wo sich mir eine Szenerie bot, die ich gedanklich erst sortieren musste.
Zu sehen waren vier dunkelhäutige Männer, die damit beschäftigt waren, unseren noch fehlenden Mitreisenden zu vierteilen, während seine Frau, in fränkischer Mundart laut schimpfend, um die Gruppe herumrannte.
Jeder der vier engagierten Helfer hatte sich jeweils einen Arm oder ein Bein gegriffen und versuchte den armen Kerl irgendwie aus seinem Rollstuhl heraus und in den Bus hinein zu ziehen .
Dabei versuchte seine Frau Kommandos auf fränkisch zu geben, was die ohnehin schon hilflosen Helfer noch mehr verwirrte.
Inzwischen hatten sie es gemeinsam geschafft, dass, nennen wir ihn Herbert, waagerecht über seinem Rollstuhl schwebte, während sein Urinbeutel wie eine Glocke unter ihm hin und her baumelte.
Es war mir klar, dass ich hier helfen musste, darauf bedacht die Situation zu bereinigen und ja nicht noch mehr zu komplizierten.
Ich zwängte mich also so schnell wie ich es schaffte vorbei an meinem Rollstuhl und rief schon während ich ausstieg
"Please, take care. I will be there in a few seconds to show you how to handle this "
Noch während ich diese Worte aussprach hatte einer der überforderten Helfer versehentlich ein Hosenbein gegriffen und, wohl in der irrigen Meinung, dass dadurch alles besser wird, Herberts Hose bis in die Kniekehlen herunter gezogen.
Jetzt baumelte also nicht mehr nur der Urinbeutel, was die alte Dame zu einem Ausruf der Verzückung hinreißen ließ. (es kann auch ein Ausruf der Entrüstung gewesen sein)
Die kroteske Komik der Situation kann ich mittlerweile als solche empfinden, nachdem ich jetzt weiß, dass Herbert am nächsten Tag ebenfalls herzlich gelacht hat.
Zum Glück konnte ich mit ein paar hilfreichen Anweisungen, nachdem ich erst mal Herberts Hose wieder nach oben gezogen und den Urinbeutel befestigt hatte, dazu beitragen dass wir dann bald losfahren konnten.
Und Herbert hat zwar vielleicht kurzfristig etwas an Selbstachtung eingebüßt, hat aber noch alle Extremitäten, was zwischenzeitlich nicht immer so sicher war.
Herberts Frau hat gelernt, dass man mit fränkisch im Ausland nicht wirklich weit kommt und unsere Omma konnte in der Nacht von baumelnden Beuteln träumen.
Am Ende war also alles gut.
Nur die vier enttarnen Folterknechte werden wohl ihren Enkeln noch erzählen, vom Mann mit den zwei Beuteln und seiner Frau mit der nicht verständlichen Sprache die einen wilden Tanz aufführte...