Freitag, 19. Juni 2015

Ankunft in Jamaica

Mit eMotion und Emotionen durch die Karibik


Kurz nach dem Millennium-Wechsel entschloss ich mich dazu  eine Kreuzfahrt zu machen.

Ich stellte mir vor, eine Reise zu buchen, in der ich in überschaubarer Zeit viele Länder zu sehen bekäme und trotzdem immer einen Anlaufpunkt haben würde.
Ein solcher Anlaufpunkt war mir mit dem Rollstuhl einfach wichtig.
Ausserdem sollte es keines der Partyschiffe sein, da ich zu dem Zeitpunkt, warum tut nichts zur Sache, genug der Weiblichkeit  hatte.

Also habe ich kurz entschlossen auf der "Arosa" eine behindertengerechte Kajüte für eine zwei Wochen Kreuzfahrt in die Karibik gebucht.
Mexiko, Jamaika, Tortuga, Kuba die niederländischen Antillen und Venezuela standen auf dem Programm. Mein bester Freund Thomas fuhr mich nach Frankfurt auf den Flughafen und nach gut neun Stunden Flug setzte der Vogel zur Landung in Jamaika an.


Nach der Landung und den üblichen Formalitäten ergoss sich der gesamte Inhalt des Flugzeuges auf einen tristen Vorplatz, auf dem auch schon mehrere Busse warteten, um uns Urlauber zum Schiff weiter zu transportieren...




Irgendwie hatte ich mir Jamaika allerdings anders vorgestellt.
Bunter irgendwie, Reggae Musik überall, Rastas mit qualmenden Tüten im Mund und die Luft voll süssen Gerüchen.

Was ich zu sehen bekam, war ein Heer übermüdeter Touristen, grauer Himmel und nach Abgasen stinkende Luft. 


Immerhin wurde von der betont freundlichen Dame, die uns schon am Zoll in Empfang genommen hatte mitgeteilt, dass das Gepäck direkt zum Schiff weitergeleitet würde und wir es schon in der Kabine vorfinden würden.
"Na, schauen wir mal "ging mir durch den Kopf. Immerhin hatte ich schon mal meinen Rollstuhl wieder und den Rucksack mit dem Handgepäck auf dem Schoss liegen

.
"Rollstuhl, Kreditkarte und eine Schachtel Zigaretten... Damit komme ich erst mal über den Tag" ging es mir durch den, mittlerweile doch sehr müden, Kopf . 


Ausser mir war noch ein weiterer Rollstuhlfahrer an Bord der Maschine gewesen.
Er, so um die sechzig und offensichtlich schwer behindert, kaum bewegungsfähig und mit Nackenstütze am seinem Rollstuhl war in Begleitung einer Frau gleichen Alters.

Die meisten der Mitreisenden wurden zügig in Reisebusse verladen, während für uns Rollstuhlfahrer, eine vielleicht achzigjährige Dame mit Gehstock und die Begleitpersonen ein spezieller Transport organisiert worden war.

Die Busse waren schon längst abgefahren als unser "Spezialtrabsport" schliesslich ankam.
Es war ein Toyota Neunsitzer, wie er überall auf der Welt zu finden ist und dort zum Transport von Waren und Menschen benutzt wird. Speziell war an diesewm Modell allerdings nur, dass nichts spezielles daran zu finden war, vielleicht abgesehen davon, dass der deutsche TÜV ihn nicht einmal mehr zum Transport von Sperrmüll auf dem Restguthof zugelassen hätte.

Es gab weder eine Rampe, noch eine Einstiegshilfe, ganz abgesehen von so etwas wie einer Hebevorrichtung..

Da ich keine eigene Begleitperson dabei hatte, bot sich meine Sitznachbarin aus dem Flugzeug an mir zu helfen, was ich auch sehr gerne angenommen hatte, meine guten Vorsätze schon fast wieder vergessend. Wir setzen uns, nachdem mein Rollstuhl hinter einer Sitzreihe verstaut war auf unsere Plätze und hofften darauf bald am Schiff anzukommen.

Allerdings sollte eine groteske Szene für weitere Verzögerung sorgen.

...  Endlich saß ich nun in dem Kleinbus, der mich an den Hafen und zum Schiff bringen sollte. Der lange Flug und die etwas stressige Verladung in das "Spezialfahrzeug" zeigten ihre Wirkung.
Selbst das Gespräch mit meiner neu erworbenen Begleitung war mir im Moment eher zu anstrengend.
Auf der Suche nach einem guten Grund, weshalb die Reise nicht weiterging wanderte mein müder Blick durch die schmutzige Scheibe nach Aussen wo sich mir eine Szenerie bot, die ich gedanklich erst sortieren musste.
Zu sehen waren vier dunkelhäutige Männer, die damit beschäftigt waren, unseren noch fehlenden Mitreisenden zu vierteilen, während seine Frau, in fränkischer Mundart laut schimpfend, um die Gruppe herumrannte.
Jeder der vier engagierten Helfer hatte sich jeweils einen Arm oder ein Bein gegriffen und versuchte den armen Kerl irgendwie aus seinem Rollstuhl heraus und in den Bus hinein zu ziehen .
Dabei versuchte seine Frau Kommandos auf fränkisch zu geben, was die ohnehin schon hilflosen Helfer noch mehr verwirrte.
Inzwischen hatten sie es gemeinsam geschafft, dass, nennen wir ihn Herbert, waagerecht über seinem Rollstuhl schwebte, während sein Urinbeutel wie eine Glocke unter ihm hin und her baumelte.
Es war mir klar, dass ich hier helfen musste, darauf bedacht die Situation zu bereinigen und ja nicht noch mehr zu komplizierten.
Ich zwängte mich also so schnell wie ich es schaffte vorbei an meinem Rollstuhl und rief schon während ich ausstieg
"Please, take care. I will be there in a few seconds to show you how to handle this "
Noch während ich diese Worte aussprach hatte einer der überforderten Helfer versehentlich ein Hosenbein gegriffen und, wohl in der irrigen Meinung, dass dadurch alles besser wird, Herberts Hose bis in die Kniekehlen herunter gezogen.
Jetzt baumelte also nicht mehr nur der Urinbeutel, was die alte Dame zu einem Ausruf der Verzückung hinreißen ließ. (es kann auch ein Ausruf der Entrüstung gewesen sein)
Die kroteske Komik der Situation kann ich mittlerweile als solche empfinden, nachdem ich jetzt weiß, dass Herbert am nächsten Tag ebenfalls herzlich gelacht hat.
Zum Glück konnte ich mit ein paar hilfreichen Anweisungen, nachdem ich erst mal Herberts Hose wieder nach oben gezogen und den Urinbeutel befestigt hatte, dazu beitragen dass wir dann bald losfahren konnten.
Und Herbert hat zwar vielleicht kurzfristig etwas an Selbstachtung eingebüßt, hat aber noch alle Extremitäten, was zwischenzeitlich nicht immer so sicher war.
Herberts Frau hat gelernt, dass man mit fränkisch im Ausland nicht wirklich weit kommt und unsere Omma konnte in der Nacht von baumelnden Beuteln träumen.
Am Ende war also alles gut.
Nur die vier enttarnen Folterknechte werden wohl ihren Enkeln noch erzählen, vom Mann mit den zwei Beuteln und seiner Frau mit der nicht verständlichen Sprache die einen wilden Tanz aufführte...

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