Sonntag, 28. Juni 2015

Mayas und Che Guevara (1)



Nach ein paar Tagen Unterbrechung setzte ich meinen Reisebericht heute fort.
Es fiel mir die letzten einfach schwer, mich bei "Herbstwetter" auf meine, doch schon 12 Jahre zurück liegende, Karibik Reise zu konzentrieren. 

Auch jetzt sitze ich bei ungemütlichen 12 Grad auf meiner Terrasse und versuche das karibische Gefühl durch Musik von Ibrahim Ferrer zu erzeugen.
Also kann es weiter gehen. 

.... 



Pünktlich um 4:00 stand ich auf, um mir anzusehen wie das Schiff aus dem Hafen von Montego Bay in Richtung Cozumel auslief.
Am Vorabend hatte ich noch solange das Schiff erkundet, bis die Akkuanzeige meines Restkraftverstärkers rot aufblinkte , um mir anzuzeigen, dass er jetzt bald an das Ladegerät müsste. 
Bei meiner Erkundung bezuchte ich, nicht ohne mich dabei mehrmals im Labyrinth der Gänge zu verlieren, alle zwölf Decks der "Arosa Cara", wovon die Decks 4 bis 7 die Passagierkabinen beherbergten. Rund 1.200 Passagiere fanden hier Platz. 

In den darunter liegenden Decks waren nochmal so viele Personen untergebracht, die allerdings zum Arbeiten, nicht zum Urlaub machen an Bord wahren. 
Über den Passagierdecks lagen dann die Decks mit Restaurants, Bars, Theater, Spa Bereich und eben Allem was den an Bord befindlichen Passagieren den Aufenthalt angenehm und interessant gestallten sollte. 
Es war wirklich eine kleine schwimmende Stadt, und wie bei einer kleinen Stadt, musste man sich erst einmal zurechtfinden, zumal mit dem Rollstuhl der ein oder andere Umweg notwendig war.
Da gab es Türen die zu schmal und Absätze die zu hoch waren , doch auch immer einen Weg um dies zu umgehen. 
Meine kleinen "Verfahrer" führten mich zu den Kabinen des Deckpersonals, zu den Unterkünften der Matrosen und auch den Kapitän durfte ich dabei schon kennenlernen. Nebenbei erfuhr ich dann noch, dass das erste Ziel die Insel Cozumel sein sollte, die der mexikanischen Halbinsel Yucatan vorgelagerte drittgrößte Insel Mexikos. 

Es ist eine Begleiterscheinung beim Reisen mit dem Rollstuhl, dass man sich schon rein optisch vom Rest der Menschen unterscheidet. 
Dies hat zut Folge, dass es scheinbar leicht ist im Gedächtnis derer zu bleiben, die man dabei trifft.

So war es auch hier. Als einer von 4 Rollstuhlfahrern unter 1.200 Passagieren, war ich schon nach meiner nächtlichen Exkursion bekannt, wie der sprichwörtliche "bunte Hund".
Nach einer Nacht auf See, war in Cozumel ein ganztägiger Ausflug zu den Maja-Ruinen geplant, für den festes Schuhwerk und gute körperliche Verfassung empfohlen wurde. 
Na, das fing ja gut an. Ich komme mit meinem Rollstuhl zwar fast überall hin, aber eben nur "fast".
Und über Steinbrocken und auf Pyramiden klettern konnte ich beim besten Willen nicht.
Ich bezweifelte auch, dass die Mayas, auch wenn sie für ihre Zeit Grosses geleistet hatten, schon behindertengerecht gebaut hatten.
Also bedeutete das für zwei Tage, diese am Pooldeck oder in einem Hafencafé zu verbringen, was für mich nach der, doch strapaziösen  Anreise, vielleicht auch ganz gut war. 
... 
Nachdem ich mich frisch gemacht hatte, begab ich mich auf Deck 5 ans Heck des Schiffes, um von dort aus zu beobachten, wie das Schiff in See stach. 
Es gab dort eine Art Balkon und ich machte es mir an der Reling bequem. Unterwegs hatte ich mir noch meinen Thermobehälter mit frischem Kaffee auffüllen lassen, hatte mir von einem der philippinischen Jungs, die dabei waren das Frühstücksbuffet zu füllen, zwei noch warme Brioche besorgt und meine Zigaretten hatte ich auch dabei. 
So ausgestattet beobachtete ich völlig ungestört den wundervollen Sonnenaufgang über Jamaika und frühstückte nebenbei. 



Weit über mir konnte ich leise die Stimmen weiterer Frühaufsteher vernehmen, die das Schauspiel wohl vom Pooldeck aus verfolgen wollten.
Wie in diesen Breiten üblich, war der Sonnenaufgang intensiv, aber kurz. Die eben noch dunkle Nacht, nur unterbrochen von den Lichtern Montego Bays, wandelte sich in nur wenigen Minuten zu hellem Tag. 

Zu meinem ersten Tag auf See. 

Die Sonne stieg, am nicht ganz wolkenlosen Himmel, hinter den Hügeln Jamaikas auf und tauchte die Insel zuerst in tiefes Rot, dann in sonniges Gold, um schließlich in einem gleissenden Gelb die See in einem hellen Azurblau strahlen zu lassen. 
Ein tiefes Brummen riss mich unsanft aus der ruhigen Sanftheit meiner Beobachtungen. 

Beim Blick über die Reling auf den Wasserspiegel konnte ich am aufschäumenden Wasser erkennen, wie die Motoren sich und damit das Schiff in Bewegung setzten. 
Mit einem Kaffee in der einen und einem Brioche in der anderen Hand, sah ich, wie Jamaika sich immer mehr mit dem Horizont verband und schließlich verschwunden war. 
 
Wir befanden uns auf hoher See mit Ziel Mexiko. 
Es tröstete mich zu wissen, dass wir am Ende der ersten Woche meines Urlaubs, nochmals Jamaika anlaufen würden, was mir dann Gelegenheit geben würde, die Insel des Reggae und der Rastafaries besser kennen zu lernen. 
Nach einem Tag und einer Nacht auf See sollten wir dann das Ziel der ersten Etappe, Cozumel, erreichen. 
Nachdem wir uns auf hoher See befanden, es war mittlerweise gegen 9:00 vormittags, rollte ich in eines der Resaurants um nochmal ausgiebig zu frühstücken, was mir erstmals in Ruhe die Gelegenheit gab, meine Mitpassagiere näher zu begutachten. 

Als erstes bemerkte ich, dass ich mit meinen 41 Jahren zu den jüngeren Passagieren gehörte. 
Nun gut, ich hatte mich absichtlich für ein Schiff entschieden, das nicht zu den Partyschiffen der Flotte gehörte.
Trotzdem kam ich mir in dem Moment mehr vor, wie auf einer Kaffeefahrt eines örtlichen Busunternehmens.

Das Frühstüchsbuffet wurde geradezu überfallen und die Menschen schleppten vollbepackte Teller an ihre Plätze, als ginge es darum, wer wohl seinen Teller am vollsten laden kann, ohne unterwegs etwas zu verlieren.

Die fleissigen, meist phillipinischen Helfer, waren dann damit beschäftigt die zurück gelassenen Schlachtfelder schnell wieder zu säubern. Dabei entsorgten sie dann Unmengen von nicht verspeistem, was mich auch nicht weiter wunderte, da Pancakes mit Ahornsirup, Räucherlachs mit Senfsauce, Ham and Eggs und Nuss-Nougat-Creme, garniert mit einm Spiegelei und Himbeermarmelade, zusammen auf einem Teller ja auch nicht schmecken können.

Nachdem ich meinen Espresso und ein Schokoladencroissant zu mir genommen hatte, begab ich mich, ausgestattet mit den erasten Eindrücken von meinen Mitreisenden auf mein Zimmer, hoffend, dass bei über tausend Passagieren doch wengstens ein paar dabei sind, mit denen man ein paar schöne Stunden verbringen kann.

Auf meiner Kabine angekommen musste ich feststellen, dass meine Akkus schon wieder zur Hälfte leer waren, obwohl ich sicher nicht zehn von den angegebenen 20 km Reichweite zurück gelegt hatte.
Allerdings war en auch alle Gänge mit recht tiefen Teppichböden ausgelegt, die das Fahren mit dem Rollstuhl sehr erschwerten und die entsprechend viel Energie gekostet haben dürften.

Ich legte mich zwei Stunden auf mein Bett und verspührte schon wieder Hunger. Dies muss wohl an der Seeluft gelegen haben. 
Also stand ich auf, zog mich um und rollte, dieses mal in das andere Buffetrestaurant an Bord.

Auch hier wieder das selbe Bild wie zum Frühstück. Lange Schlangen bildeten sich an beiden Buffettheken.
Todesmutig reihte ich mich am Ende der einen Schlange ein, darüber nachdenkend wie ich den Teller mit Sauce wohl heil an meinen Tisch bringen würde. Vor mir in der Schlange stand ein grosser Kerl, der trotz seiner Grösse, genauso breit wie hoch wirkte.

"Der bräuchte eigentlich sowieso nichts mehr zu Essen" dachte ich so vor mich hin, während ich mir einen leeren Teller auf den Schoss stellte.
So rollte ich, brav in der Schlange bleibend, an den Salaten und Vorspeisen vorbei, immer dem Fleischklops vor mir folgend.
Ich hatte einfach nur Lust auf etwas warmes und hatte weiter vorne an der Theke schon etwas entdeckt, was mich ansprach.
MeatLoaf war natürlich vor mir an der Stelle an der ein kleiner Phillipini Scheiben von einem grossen Stück Roastbeef abschnitt und den wartenden reichte.

"Nu, geben se mir een grosses Stück von dem Fleische da. Aber a scheenes nu!!" bellte der Fleischklops in klarsten Sächsisch vor mir, während er seinen, schon mit allem was vorher aufzuladen war gefüllten, Teller über die Theke reichte.

Der junge Kerl hinter der Theke schnitt, mir ein verstohlenes lächeln zuwerfend, eine dicke Scheibe des Resttückes Roastbeef ab, das noch vor ihm lag und legte es auf den ihm hingestreckten Teller.

Fleischklops wälzte sich eine Station weiter zu den Beilagen und ich kam endlich zum Fleisch.

"Hello Sir, would you please be kind and pass me over a small slice of this roastbeef?" sagte ich betont feundlich um mich vom rüden Ton meines Vorgängers zu unterscheiden.

Der junge Mann schmunzelte und antwortete "You're wellcome Sir. Wait a second, i will look for a new piece in the kitchen. This one is not a good piece" Mit diesen Worten verschwand er durch die Schwingtür hinter ihm und kam kurz später wieder mit einem neuen Roastbeaf zurück, von dem er mir zwei wunderschöne rosa Scheiben abschnitt. Das wohl etwas zähe Reststück, hatte er mitgenommen.

Inzwischen hatte mein fülliger Vor-Gänger die Beilagen erreicht und wohl auch davon schon kräftig aufgeladen. Jetzt stand er hilflos umherschauend vor der Theke, in der linken Hand seinen überfüllten Teller, in der rechten Hand eine Schöpfkelle mit, wie ich beim näherkommen bemerkte, Nudelsalat.

Seine fragenden Blicke schienen zu bedeuten, dass er, trotz jahrelanger Erfahrung, keinen Platz für den Nudelsalat auf seinem Teller mehr finden konnte.

Andererseits schien er sich von den Nudeln aber auch nicht mehr trennen zu wollen, oder er traute sich dann doch nicht den Salat zurück un die Schüssel zu tun.

So stand er ziemlich hilflos, bis ich ihn, immer auf die Soße in meinem Teller achtend, langsam erreichte.

"Wenn ich ihnen helfen darf" sprach ich ihn an "wenn sie den Daumen ihrer linken Hand etwas zur Seite schieben, dann gibt das sicher wieder etwas Platz auf dem Telle"

Wenn ich damit gerechnet hatte eine wütende, oder zumindest überraschte Reaktion ausgelöst zu haben, hatte ich weit gefehlt.

Mit einem dankbaren Nicken, schob er seinen Daumen geschickt auf dem Tellerrand etwas zur Seite, so dass er in eine Art Tomatensoße gequetscht wurde... und klatschte daraufhin den Nudelsalat teils auf die freigewordene Stelle, Teils auf ein Stück Fisch, das bislang auf... na ich weiss nicht was ... lag.

"Jetzet reicht es dann ooch..." stellte er noch siegesbewusst fest und walzte von Dannen.

Ich wusste im Moment nicht ob ich lauthals lachen sollte oder einfach nur den Kopf schütteln. Ich entschied mich für ein drittes und suchte mir lieber einen Platz.

Es ist immer wieder interessant wie Menschen die seit Wochen nichts mehr zu Essen bekommen hatten, sämtlichen Anstand verlieren und sich rücksichtslos der Nahrungssuche und der anschließenden Vernichtung der Selben widmeten.

In diesem Kampfschauplatz war es alles Andere als einfach unbeschadet mit einem Teller Roastbeef mit Kroketten, etwas Gemüse und Soße, den Weg zu einem freien Platz zu finden.

"Soll ich dir den Teller abnehmen und zum Tisch bringen? Die spinnen ja wieder total heute. Klar ist für viele der erste Tag mit freiem Gefresse" hörte ich hinter mir eine tiefe Stimme sagen.

Mich, wegen der Soße vorsichtig, umdrehend zeigte sich mir ein völlig unerwartetes Bild. Vier in schwarze Anzüge, weisse Hemden, schwarze Kravatten und dunkle RayBan Sonnenbrillen gekleidete Männer kamen auf mich zu. Der, welcher mich angsprochen hatte, trug noch einen ebenso schwarzen Hut und hatte seine langen blonden Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden.

"Oh Gott, die Blues Brothers, dass ich sowas noch erleben darf" schoss es aus mir hervor. 
"na klar, aber ich hätte heute auch nicht mehr Kojak als Easy Rider gerechnet..." bekam ich als Antwort.

Zum Zeitpunkt der Reisae hatte ich mir die Haare bis auf zwei Millimeter abrasiert, so dass der Vergleich nicht ganz von der Hand zu weissen war.

Die vier Typen fielen zwischen den, stilsicher als Touristen verkleideten, älteren Herrschaften genau so auf, wie ich mit kahlem Kopf, Jeans und schwarzem Rippshirt in meinem Rollstuhl.

"Danke, ist eine gute Idee " sagte ich und reichte dem, der mich angsprochen hatte meinen Teller.

"Wir haben einen reservierten Tisch, draussen, ein Platz ist noch frei, kannst dich gerne dazusetzen Cowboy" sagte er breit grinsend.

"Gerne, was besseres finde ich hier sowieso nicht mehr" entgegnete ich ebenfalls grinsend, froh Fleischklops und Kollegen entkommen zu sein.

Er nahm meinen Teller und brachte in nach draussen, währnd seine Kollegen zum Büffet gingen.

"Ubrigens, Hans-Peter, oder beser HaPe" sagte ich zu ihm und streckte ihm meine Rechte entgegen.

"Reiner, oder Chuck,..."

"... wir müssen ihn immer Boss nennen..." rief eine der drei jungen Frauen, die schon am Tisch sassen dazwischen"
"... ich denke du kommst klar" nahm Chuck wieder das Wort "Lass dir nichts aufschwatzen, ich hole mal was zu Futtern"

Chuck verschwand und ich setzte mich zu den Mädels an den Tisch. 

Wie man wohl bemerkt hat, strimmte die Chemie sofort.
Die Männer in schwarz und die drei Frauen gehörten zu einer Bluesband aus Aachen, die für die Reise engagiert worden war.

Sie waren in Warnemünde an Bord gegangen und hatten schon die 20 tägige "Seeroute" hinter sich. Jetzt würden sie sie die selbe 14 tägige Karibikkreutfahrt wie ich mitmachen und im Anschluss wieder 20 Tage zurück übers offene Meer. 

... Fortsetzung folgt (kann nicht mehr tippen)































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