Mittwoch, 15. Juli 2015

Ist er wieder da?




Ihr seht mich heute erröten. 
Ich habe euch missbraucht. 

Missbraucht zu einem Experiment.
Gemein zwar, aber nichts desto weniger interessant. 

Ausgangpunkt für dieses grausame Experiment am Menschen, war ursprünglich ein Buch, das ich im vergangenen Urlaub gelesen habe. 

Ok, ich habe es mir eigentlich vorlesen lassen. Hörbücher sind schon was Tolles, wenn die Alterskurzsichtigkeit einsetzt.

Timur Vermes: Er ist wieder da. 

Der Inhalt in Kürze:

Auf dem Gelände des ehemaligen Führerbunkers erwacht ein Mann, bekleidet in Uniform, staubig und nach Benzin riechend.

Sein Name, Adolf Hitler. 

Nach anfänglicher Verwirrung erkennt er, dass er sich,  60 Jahre später, im heutigen Berlin befindet, und er erkennt eben so schnell, welch ungeahnte Möglichkeiten sich ihm in der heutige Zeit der Medien und apolitischen Massen , der schnellen und auf schnellen Effekt abzielenden Medienlandschaft bieten, um sein Gedankengut noch besser verbreiten zu können. 

Er macht kein Heel aus seiner Identität, noch aus seinen Zielen, doch anstatt auf Ablehnung zu stoßen, wird er zum gefeierten Medienstar.

Keine leichte Kost eigentlich, umso mehr, dass ich mir beim Lesen immer wieder klar wurde, "Verdammt, bei aller Fiktion, das könnte wirklich so ablaufen." 

Vermes lässt dabei den Mann mit dem kleinen Schnauzbärtchen in der ersten Person erzählen und schafft es damit, durchaus auch immer wieder so etwas wie Sympathie mit dem Mann zu aufkommen zu lassen, der für den Tod von Millionen verantwortlich war. 

Und Das macht Angst...  erschreckt und hinterlässt ein tiefes, mulmiges Gefühl in der Magengrube. 

Ein, wie ich glaube, absolutes "must read"
Er ist wieder da: Der Roman

Doch was hat das alles damit zu tun, dass ich ein schlechtes Gewissen euch gegenüber habe.

Ok,  ihr ahnt es vielleicht schon. 

Seit ich diesen Blog begonnen habe, bin ich, wie auch heute Morgen, verstärkt in Facebook unterwegs, vor allem, weil ich bemerkt habe, wie gut man Stimmungsbilder in diesem Medium erkennen kann und.... zu meiner Schande, wie leicht man selbst solchen Stimmungen erliegt.

Bunte Bildchen, mit mehr oder weniger intelligenten Sprüchen, Zitate von Persönlichkeiten ohne Angabe irgendwelcher Quellen , mischen sich mit Aufrufen zum teilen und liken von Diesem und von Jenem. 

Verfasser sind oft anonyme Personen mit Namen 'Wunderweib', 'Made my day', 'Projekt Revolution' und Ähnliche. (frei von heute, ohne Wertung herausgepickt)

Es gibt in der Regel weder eine Angabe von Quellen, noch eine zeitliche und inhaltliche Zuordnung der "Informationen". 

Zwischen eher Harmlosem, wie bunten Bildchen zu Haustierchen und dem letzten Mittagessen, chinesischen (oder erfundenen) Lebensweisheiten...  mischen sich aber auch immer wieder, nein immer mehr, Aussagen mit dem eindeutigen Zweck der Stimmung zu machen für eine bestimmte, nur dem Author letztendlich bekannte Sache. 

Soweit eigentlich noch nichts Schlechtes und in einer Demokratie sogar durchaus erwünscht.

Doch wo ist denn dann das Problem?

Das Problem liegt Überflutung mit und der Vielzahl an Post´s und in der Möglichkeit diese mit nur wenigen Klicks zu 'liken' und zu "verteilen". 

Nicht der gründlich hinterfragte Inhalt, sondern das durch Schlagworte erzeugte Gefühl führt zu einer Reaktion. 

Somit ist ein solcher Verfasser sehr leicht in der Lage, seine Gesinnung an ein grosses Publikum zu verteilen und damit im Umkehrschluss das Meinungsbild zu beeinflussen. 

Wie schon viel zu oft in der Geschichte, werden dabei die Ängste der Menschen dazu benutzt Stimmungen zu erzeugen und Feindbilder aufzubauen.

Dabei könnten zur Zeit die Worte:

Fremde, Asylanten, Islamisten,
Ungerechtigkeit, Banken,  Griechenland, Kinder, Zukunft,  Armut... 

in fast beliebiger Reihenfolge kombiniert werden um viele 'Likes' zu sammeln, so man denn darauf aus wäre. 

Ein besonders erschreckendes Beispiel ist in meinen Augen das Post mit dem Bild eines Mannes, der, offensichtlich bei einer Demonstration, ein grosses Plakat mit dem Bild eines Kindes vor sich hält, mit dem Text:

http://st.depositphotos.com/1008768/1910/i/950/depositphotos_19102173-Stop-racism.jpg"Mama, ich habe Hunger.
Ich weiß, aber erst kommen die Fremden dran.
Warum?
Weil man uns sonst als Nazis bezeichnet."

Wie perfide wird hier mit den Ängsten und Urgefühlen der Menschen herummanipuliert.

Kein Hinweis auf den Ursprung des Bildes, einfach nur das Zeichnen eines Feindbildes. 

Die Fremden essen unseren Kindern die lebensnotwendige Nahrung weg... 

... Diesb könnte so auch von Göbbels gestammt haben und erinnert erschreckend an die, damals noch handgezeichneten, Plakate mit "dem bösen, hässlichen Juden" 

...  Ist er wieder da? 

Jetzt komme ich zu meiner angekündigten Gemeinheit...  

Ich habe dieses beschriebene Bild schon zum wiederholten mal in Facebook gepostet bekommen und wollte es nun, quasi als Testballon, inspiriert durch das Buch von Vermes, auf mein Profil Posten, um zu sehen wie denn wohl die Reaktionen ausfallen. 

Nicht ohne schales Gefühl, damit ebenfalls zur Verbreitung beizutragen. 

Im Ergebnis war es beruhigend, dass doch eine ganze Reihe entrüsteter Reaktionen kamen.

Doch leider eben auch eine ganze Reihe von Likes...  still...  ohne Textkommentar... 

Dabei unterstelle ich denen, die geliked haben, keineswegs eine rechtsextreme Gesinnung. 

Sie sind einfach nur, wie auch ich schon das eine oder andere Mal, auf die durchaus clevere Masche hereingefallen, mit der solche Posts platziert werden um die jeweils gewünschte Wirkung zu erziehlen.

...  Er hätte es heute doch noch leichter...  oder ist er schon da? 

Ich habe mir jedenfalls vorgenommen, sparsamer mit dem zu sein was ich "like" odeer gar "teile".
Auch wenn es nur ein Klick ist, so gebe ich doch auch ein Statement ab, das für immer im Netz festgehalten bleibt. 

Ich will nicht, dass zukünftige Generationen fragen, wie es 'Dazu'  kommen konnte und warum 'Das' Keiner bemerkt hat.

... Ups ... 

"ist er etwa wieder da? "

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