Mittwoch, 16. Dezember 2015

Alder, weiss ich wo deine Haus wohnd

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Also Sachen gibt es, die gibt es eigentlich gar nicht. 

Da weiß man nicht mehr, ob man sich ärgern soll, oder sich doch besser köstlich amüsiert. 

Zuerst muss ich euch dazu einen der Protagonisten meines kleinen Erlebnisses vorstellen,...
mein Sturmfeuerzeug. 

Eigentlich ist es mehr so eine Art kleiner Bunsenbrenner, mit einer ca. 5cm hohen, fast unsichtbaren Flamme. 

Da ich an diesem Freitag Abend zu einem vierzigsten Geburtstag eingeladen war, fuhr ich über Passau, um dort in der Stadtgallerie noch das vorbestellte Geschenk abzuholen.

Die junge Verkäuferin die mich bediente, war noch nicht ganz mit dem Verpacken fertig, so dass ich mich entschloss, vor dem Eingang zu der Einkaufspassage noch eine Zigarette zu rauchen. 

Die Eingangstüren öffnen hier nicht automatisch, können aber über Schalter, gekennzeichnet mit einem Rollstuhlzeichen, geöffnet werden. 

Diese Schalter sind allerdings so clever angebracht, dass man sich als Rollstuhlfahrer beeilen muss, damit die Tür nicht schon wieder schließt, bevor man hindurch fahren konnte. 

Ich drücke also die Taste und fuhr dann schnell um den aufklappenden Türflügel herum durch die sich auftuende Öffnung. 

Zur gleichen Zeit versuchten zwei junge Männer um die zwanzig, gefolgt von drei Frauen etwa im selben Alter, die Gunst zu nutzen und drückten sich an mir vorbei durch die Tür, wahrscheinlich weil sie sich die Arbeit sparen wollten, diese manuell zu öffnen. 

Dem Einen, klein, dick und mit seltsamen Zöpfchen mitten auf dem Kopf, ausweichend, fuhr ich dem Anderen, noch kleiner, dünn, mit an den Seiten kurzen und auf dem Kopf steil nach oben gestellten Haaren, mitten über den Fuß. 

"Hey,  Alder, kanns du ned aufpassen" rief er in diesem unsäglichen Straßenslang 

"Aufpassen muss ich nur auf kleine Kinder und schwangere Frauen " entgegnete ich und fuhr hinaus, um meine Zigarette anzuzünden.

Kaum hatte ich mein Plätzchen gefunden und wollte mir selbst Feuer geben, kam der verkappte Rapper wieder um die Ecke und baute sich vor mir auf. 

Jetzt konnte ich mir die Frisur und den Träger besser anschauen.
Er war klein, schmächtig, und offensichtlich von südländischer Herkunft. Ich tippte auf irgendwas zwischen Bosporus und Mittelasien herum.
So stand er also vor mir, der ich im Rollstuhl sitzend etwas, wenn auch nicht viel, nach oben schauen musste. 

"Ey, Alder...  Magst du Ärger, hä?
sagte er laut, mit einem Seitenblick auf seine Begleiter, die ihm mittlerweile gefolgt waren... 

Inzwischen hatte sich mein Körper in diesen seltsamen Modus geschalten, in welchem das einschiessende Adrenalin ein leichtes Zittern in die Beine schießen lässt und sämtliche Sinne schärft, während er gleichzeitig auf erhöhte Wachsamkeit stellt.
Ohne eine Antwort stand ich auf, immer noch die unangezündete Zigarette im Mund und das Feuerzeug in der Rechten. 

Ich überragte den Bushido-Verschnitt um Weiten und seine, mit was auch immer steil nach oben geklebten Haare, erreichten gerade mal meine Nasenspitze, während er wohl meinen Adamsapfel beobachten musste.

Spürbar verunsichert versuchte er seiner Stimme besonderen Nachdruck zu verleihen.

"kannst du Entschuldigung? " presste er hervor und gab seiner Forderung, Nachdruck indem er mich mit flacher Hand anstupste, so dass ich wieder in meinem, zum Glück hinter mir stehenden, Rollstuhl zu sitzen kam.

Noch bevor er sich über diesen, wohl unerwarteten, Erfolg richtig freuen konnte, stand ich auch schon wieder vor ihm.
Es wundert mich immer wieder, welche Reserven der Körper in Extremsituationen aktivieren kann um Aktionen auszuführen, die man willentlich nie erreichen würde.

So auch jetzt. 

Inzwischen hatte sich schon eine kleine Traube Neugieriger versammelt, wohl um sich durch das kroteske Bild den Feierabend etwas spannender zu gestalten. 

"Machst du jetzt Entschuldigung" forderte "Mini-Bushido", durch seinen Erfolg hörbar gestärkt und durch die Neugierigen zusätzlich angetrieben, jetzt mit deutlich festerer Stimme. 

...Es gibt ein paar Dinge die ich noch nie leiden konnte und dazu gehört, wenn Fremde mich unaufgefordert berühren.
Seit ich im Rollstuhl sitze empfinde ich dies doppelt respektlos und entwürdigend.
Es macht mich wütend und auch durchaus aggressiv. 

"Nimm deine Finger weg kleiner Mann, sonst passiert am Ende etwas, was wir beide nicht wollen" gab ich ihm mit düsterem Blick zurück, während ich mir endlich die Zigarette anzündete. 

Kaum ausgesprochen, spürte ich schon seine Faust auf meinem linken Brust Muskel.
Auch wenn er dieses Mal die Faust benutzt hatte, war ich vorbereitet und mit genügend Wut ausgestattet um standhaft zu bleiben. 

In der rechten Hand mein Sturmfeuerzeug haltend ging jetzt alles schnell und automatisch. 

Der rechte Daumen drückte nach unten und die unsichtbare Flamme schoß mit einem Zischen heraus, während die Hand die es festhielt einmal an der Hinterseite der "Frisur" meines Angreifers entlang fuhr. 

Ich weiss bis heute nicht, mit welchem Mittel er seine Haare behandelt hatte, aber ich weiss jetzt,...  es war leicht entzündlich....  Sehr leicht... 

Während er wild gestikulierend auf seine Haare einschlug, hatte eine Stichflamme in Sekundenbruchteilen das Meiste seiner "Frisur" abfefackelt und ihn schlagartig noch kleiner gemacht. 

"Ich rufe Polizei... " schrie er mit Tränen in den Augen..." 

"Des machst, Birschel, dene erzähl mer scho wosd fir einer bist... " rief ein älterer Herr unter den Zuschauern. 

Erst jetzt, als sich mein Adrenalin senkte, hörte ich den Applaus der kleinen Ansammlung.
Fast hätte der Rapper-Verschnitt mir leid getan, der weinend wie ein kleiner Junge, begleitet vom hämischen Gekicher seiner Begleiter von Dannen zog. 

So hatte ich das weder gewollt, noch mit Vorsatz gemacht.

Andererseits wird er sich in Zukunft sicher überlegen, ob er wieder einmal einen Rollifahrer als leichtes Opfer betrachtet.

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